AUS MOSS WIRD OSS - NEUE UMSATZSTEUERLICHE VORSCHRIFTEN BEI UMSÄTZEN MIT EU-KUNDEN
AUTOHAUS ARTIKEL VOM 10.05.2021

Zum 01.07.2021 werden umfangreiche neue umsatzsteuerliche Regelungen wirksam, die bereits im Vorfeld einige Vorbereitungen erfordern. Dies betrifft sowohl Anforderungen an die IT, die Rechnungslegung als auch die Schulung der betroffenen Mitarbeiter sowie gegebenenfalls eine Antragstellung bei der Finanzverwaltung.
Die Neuregelungen zum 01.07.2021 betreffen insbesondere Lieferungen und Leistungen an Nichtunternehmer im EU-Ausland. Hierzu zählen zum einen sogenannte Fernverkäufe sowie verschiedene sonstige Leistungen, die im übrigen Gemeinschaftsgebiet der dortigen ausländischen Umsatzsteuer unterliegen. Auf Grund der drastischen Senkung der Schwellenwerte (siehe unten), sind nunmehr in der Praxis deutlich mehr Fälle zu erwarten, in denen Umsätze mit ausländischer Umsatzsteuer zu versteuern sind.
Unter „Fernverkäufen“ (sog. „EU-Regelung“) sind Warenlieferungen zu verstehen, welche durch den Lieferer oder für dessen Rechnung innerhalb der EU in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versandt werden. Eine indirekte Beteiligung des Verkäufers an der Beförderung bzw. Versendung soll hierfür ausreichen.
Weiterhin muss für einen „Fernverkauf“ der Empfänger ein Nicht-Unternehmer (also insbesondere eine Privatperson) sein. Auch wenn der Empfänger einer Warenlieferung ein
- Kleinunternehmer,
- pauschalierender Landwirt,
- juristische Person, die entweder kein Unternehmer ist oder die Ware nicht für ihr Unternehmen bezieht oder
- ein Unternehmer ist, der nur steuerfreie Umsätze ausführt, welche zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs führen,
kann es sich um einen „Fernverkauf“ im umsatzsteuerlichen Sinne handeln – sofern der Empfänger die sogenannte Erwerbsschwelle nicht überschritten hat.
Von der Neuregelung ausgenommen sind Neufahrzeuge im umsatzsteuerlichen Sinne sowie die Lieferungen von Gegenständen, die mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert werden (Montagelieferungen). Ebenso wenig fallen echte Abhollieferungen unter die Neuregelung.
Weiterhin sind von der Neuregelung sonstige Leistungen erfasst, die ein Unternehmer an in einem anderen EU-Staat ansässige Nichtunternehmer (also insbesondere Privatpersonen) erbringt und die nicht im Ansässigkeitsstaat des leistenden Unternehmers zu versteuern sind. Hierunter können beispielsweise die folgenden Leistungen fallen:
- Vermietung von Beförderungsmitteln, also insbesondere die langfristige Vermietung von Fahrzeugen (mehr als 30 Tage) an im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Nichtunternehmer oder die kurzfristige Vermietung von Fahrzeugen, bei denen den nichtunternehmerischen Kunden das Fahrzeug im Ausland zur Verfügung gestellt wird
- Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen und die Begutachtung dieser Gegenstände, wenn diese Arbeiten im übrigen Gemeinschaftsgebiet erfolgen
- Vermittlungsleistungen, wenn der vermittelte Umsatz im EU-Ausland der Umsatzsteuer unterliegt
- Bestimmte Beförderungsleistungen mit Auslandsbezug
- Unverändert: elektronische Dienstleistungen
Hinsichtlich der Fernverkäufe gab es bislang je Empfängerland separate Lieferschwellen. Waren diese überschritten, musste man sich in diesem speziellen Land umsatzsteuerlich registrieren – unabhängig von etwaigen Registrierungspflichten in anderen Ländern.
Diese Regelung wird nun dahingehend abgeschafft, dass es für das gesamte EU-Ausland und die betroffenen Umsätze (also Fernverkäufe und oben genannte sonstige Leistungen) einen neuen Gesamtschwellenwert von EUR 10.000,00 im vorangegangenen oder aktuellen Kalenderjahr gibt. Wird dieser Wert im aktuellen Kalenderjahr überschritten, führt dies dazu, dass alle weiteren betroffenen Umsätze an jegliche EU-Nichtunternehmer der Umsatzsteuer des jeweiligen Wohnsitzstaates des Kunden unterliegen. Wurde der Wert im vorangegangenen Kalenderjahr überschritten oder wird von Anfang auf die Anwendung des neuen Schwellenwerts verzichtet, unterliegen im aktuellen Jahr von Anfang an alle betroffenen Umsätze an jegliche EU-Nichtunternehmer der Umsatzsteuer des jeweiligen Wohnsitzstaates des Kunden. Das heißt, dass ab 01.07.2021 bei Überschreiten des Grenzwerts – oder bei Verzicht auf dessen Anwendung – im Zweifelsfall Rechnungen mit bis zu 26 unterschiedlichen ausländischen Umsatzsteuer(sätze)n erstellt und verbucht werden müssen.
In einem ersten weiteren Schritt bedeutet dies, dass man sich auch in jedem Wohnsitzland eines Nichtunternehmerkunden von Fernverkäufen registrieren lassen muss – außer, man wendet das sogenannte OSS-Verfahren (One-Stop-Shop-Verfahren) an. Dies bedeutet, dass man sich lediglich beim deutschen Bundeszentralamt für Steuern vorab registriert und dann dort analog der Zusammenfassenden Meldung eine eigene Meldung abgibt, in der man die betroffenen EU-Staaten und die Summe der dort jeweils steuerpflichtigen Umsätze auflistet. Die Abgabe dieser Meldung hat jeweils bis zum Ende des dem jeweiligen Quartals folgenden Monats zu geschehen. Dann wird der Gesamtbetrag der Steuern an das Bundeszentralamt für Steuern entrichtet. Dieses verteilt anschließend den Gesamtbetrag an alle in der Meldung aufgeführten Staaten. Wurden im fraglichen Quartal keine Umsätze ausgeführt, die dieser Sonderregelung unterliegen, ist eine Nullmeldung abzugeben.
Zu beachten ist jedoch die Zahlungsfrist! Die im One-Stop-Shop-Verfahren erklärten Steuerbeträge müssen so rechtzeitig überwiesen werden, dass die Zahlung bis zum Ende des Monats, der auf den Ablauf des Besteuerungszeitraums (Kalendervierteljahr) folgt, bei der zuständigen Bundeskasse eingegangen ist. Bei wiederholter nicht fristgerechter Zahlung kann seitens der Finanzverwaltung das Verbot ausgesprochen werden, das OSS-Verfahren nutzen zu dürfen. Ein Lastschrifteinzug ist nicht möglich.
Dabei ersetzt das OSS-Verfahren das sogenannte MOSS-Verfahren (Mini-One-Stop-Shop-Verfahren), welches bereits bislang für elektronische Dienstleistungen an Nichtunternehmer im EU-Ausland praktiziert und mit den neuen Regelungen ausgeweitet wurde. Wer also bereits für das MOSS-Verfahren registriert ist, muss sich nicht erneut registrieren.
Ohne vorherige Anmeldung ist die Nutzung des OSS-Verfahrens grundsätzlich nicht möglich! Allerdings kann laut deutscher Finanzverwaltung die Anmeldung binnen einer sehr kurzen Frist (10. des Folgemonats nach dem Monat der Leistungserbringung) nachgeholt werden. Führt man dann trotz nicht fristgerechter Anmeldung im EU-Ausland zu versteuernde Umsätze aus, muss man sich in den betroffenen EU-Staaten steuerlich registrieren.
Weiterhin ist es nur möglich, entweder alle betroffenen Auslandsumsätze über das OSS-Verfahren im Heimatland zu melden oder sich für alle betroffenen Staaten dort jeweils umsatzsteuerlich zu registrieren. Eine Misch-Form soll nicht zulässig sein. Sofern Unternehmen bereits im EU-Ausland umsatzsteuerlich registriert sind, sollte daher mit den ausländischen Steuerberatern Kontakt aufgenommen werden, inwieweit eine dortige De-Registrierung in Frage kommt, um zukünftig das OSS-Verfahren nutzen zu können.
Bei umsatzsteuerlichen Organschaften muss die Teilnahme an der Sonderregelung durch den Organträger unter dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer beantragt werden. Gegebenenfalls ist also vorab noch eine UStIDNr. zu beantragen.
Ein Abzug im EU-Ausland gezahlter Vorsteuer ist über das OSS-Verfahren nicht möglich. Dies ginge nur bei einer direkten umsatzsteuerlichen Registrierung im jeweiligen EU-Ausland, sofern dort auch steuerpflichtige Umsätze ausgeführt werden. Somit bleibt bei Nutzung des OSS-Verfahrens weiterhin nur das Vorsteuervergütungsverfahren, welches ebenfalls über das Bundeszentralamt für Steuern durchzuführen ist.
Müssen OSS-Umsätze korrigiert werden, ist dies innerhalb von 3 Jahren möglich. Die Korrektur soll dabei in der jeweils aktuellen OSS-Meldung vorgenommen werden. Das Zusammenwirken mit deutschem Verfahrensrecht ist insoweit noch unklar. Zumindest hat die deutsche Finanzverwaltung inzwischen klargestellt, dass zum Teil deutsches Verfahrensrecht bei der Anwendung des OSS-Verfahrens zur Anwendung kommen soll.
Darüber hinaus sollen über die im OSS-Verfahren gemeldeten Umsätze Aufzeichnungen zu führen sein, welche dem betroffenen EU-Staat auf Verlangen elektronisch zur Verfügung gestellt werden müssen. Diese Aufzeichnungen „müssen so ausführlich sein, dass die Steuerbehörden des Mitgliedstaats des Verbrauchs feststellen können, ob die Mehrwertsteuererklärung korrekt ist.“ Darüber hinaus besteht in diesem Zusammenhang eine 10-jährige Aufbewahrungsfrist.
Stan Guthmann
Steuerberater
Kurzfassung:
- Zum 01.07.2021 werden umfangreiche umsatzsteuerliche Änderungen bei Umsätzen mit EU-Kunden in Kraft treten.
- Besonders die Mitarbeiter in der IT und Rechnungsstellung müssen frühzeitig geschult werden.
- In Zusammenarbeit mit AUTOHAUS werden wir am 25.05.2021 von 13.00 bis 14.00 Uhr im Rahmen eines Webinars dieses wichtige Thema erläutern.
Kommentar:
Sie sollten bereits jetzt Ihre IT-Anbieter für die Rechnungstellung und Buchhaltungssoftware kontaktieren und mit diesen abklären, ob die Software die neuen Anforderungen erfüllt bzw. wann mit einem entsprechenden Update zu rechnen ist. Wenn Sie damit rechnen, dass Sie den Schwellenwert überschritten haben, überschreiten werden oder auf diesen verzichten wollen, sollten Sie darüber hinaus frühzeitig die Registrierung beim Bundeszentralamt für Steuern vornehmen und dann spätestens im Juni die betroffenen Mitarbeiter informieren und schulen.
Maximilian Appelt
Rechtsanwalt | Steuerberater