Die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags für Grundstücks-unternehmen
Autohaus-Artikel vom 23.04.2024

Grundlagen
Es gibt einige interessante steuerliche Gestaltungen, eine Möglichkeit zur Minderung der Gewerbesteuer ergibt sich aus § 9 Nr. 1 GewStG. Nach dieser Vorschrift können beispielweise reine Grundstücksunternehmen eine hundertprozentige Gewerbesteuerentlastung erreichen.
§ 9 GewStG regelt die von der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen in Abzug zu bringenden Kürzungen. Die Kürzungen des § 9 GewStG dienen allgemein dem Zweck der Ermittlung eines objektivierten Gewerbeertrags als Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer. Dabei hat die Vorschrift in § 9 Nr. 1 GewStG vorrangig das Ziel, eine doppelte Besteuerung von betrieblichem Grundbesitz mit Grundsteuer und Gewerbesteuer zu verhindern. Die sogenannte einfache Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG führt lediglich zu einer allgemeinen Reduzierung der Gewerbesteuer. Hingegen kann durch eine erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG eine vollständige Freistellung von der Gewerbesteuer erreicht werden, wenn der Gewerbebetrieb ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Darüber hinaus verfolgt die Vorschrift als weiteres Ziel, dass alle vermögensverwaltenden Grundstücksunternehmen in gewerbesteuerlicher Hinsicht gleichgestellt werden, unabhängig davon, ob ihre Einkünfte kraft Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegen.
Voraussetzung für die Gewährung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist unter anderem, dass das Unternehmen - abgesehen von nach der Rechtsprechung als unschädlich angesehenen Nebentätigkeiten und den in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG zugelassenen Ausnahmen- ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Die in
§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG genannte Verwaltung eigenen Kapitalvermögens ist nur dann unschädlich, wenn sie neben der Verwaltung eigenen Grundbesitzes stattfindet, nicht aber, wenn sie vor Beginn oder nach dem Ende einer begünstigten Grundstücksverwaltung die alleinige Tätigkeit darstellt. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG vor, ist es erforderlich für die Anwendung der Begünstigung einen entsprechenden Antrag zu stellen.
BFH-Urteil v. 17.10.2024, III 1/23
Aufgrund der restriktiven Behandlung der erweiterten Kürzung für Grundstücksunternehmen sowohl durch die Gesetzgebung als auch die Finanzverwaltung, ist sie regelmäßig Gegenstand finanzgerichtlicher Verfahren.
Erst kürzlich wurde ein Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH), veröffentlicht, in dem die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen wieder Thema war. Der BFH befasste sich mit der Frage, ob das zeitliche Kriterium der Ausschließlichkeit im Erhebungszeitraum erfüllt ist, wenn eine Kapitalgesellschaft ihren einzigen Grundbesitz ab Beginn des 31.12. veräußert. Im Ergebnis sah er eine erweiterte Kürzung bei Veräußerung des gesamten Grundbesitzes im Laufe des Erhebungszeitraums als nicht gegeben an.
1. Sachverhalt
Der Entscheidung des BFH lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin ist eine 2013 gegründete GmbH. Als Gegenstand des Unternehmens sind im Gesellschaftsvertrag der Erwerb, die Verwaltung (namentlich die Vermietung und Verpachtung) und die Veräußerung von Grundbesitz einschließlich der Durchführung von Baumaßnahmen auf fremdem Grundbesitz benannt. Im Jahr 2013 hatte die Klägerin ein Immobilienobjekt erworben, dies als Umlaufvermögen ausgewiesen und im Jahr 2014 sodann wieder veräußert. Ein weiteres Geschäftsgrundstück hatte sie 2015 erworben. Die Klägerin veräußerte dieses Objekt im Jahr 2016. In diesem Kaufvertrag war bestimmt, dass alle das Vertragsobjekt betreffenden öffentlichen und privaten Lasten, alle Verbrauchskosten, Verkehrssicherungspflichten und jede mit dem Vertragsobjekt verbundene Haftung "ab Beginn des 31.12.2016" auf den Käufer übergehen sollten. Des Weiteren sollte der Übergang des Besitzes, der Nutzungen und der Gefahr, die Kaufpreiszahlung vorausgesetzt, ebenfalls "am Beginn des 31.12.2016" erfolgen.
Die Klägerin machte in der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2016 die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG geltend.
Das Finanzamt versagte der Klägerin die erweiterte Kürzung mit der Begründung, dass der Geschäftszweck der Klägerin der Erwerb und Verkauf von Grundstücken, nicht deren Verwaltung sei.
Das Finanzgericht (FG) Münster hingegen ließ die erweiterte Kürzung mit Urteil v. 27.10.2022 (10 K 3572/18 G) zu.
2. Ansicht des BFH
Der Begriff der Ausschließlichkeit in Bezug auf die gem. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG begünstigte Tätigkeit ist gleichermaßen qualitativ, quantitativ sowie zeitlich zu verstehen. In zeitlicher Hinsicht hat der Unternehmer während des gesamten Erhebungszeitraums der gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG begünstigten Tätigkeit nachzugehen. Dies folgt aus dem Wesen der Gewerbesteuer als Jahressteuer. Am Erfordernis einer ausschließlichen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes fehlt es daher, wenn ein Unternehmer das letzte oder einzige Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert und danach nur noch anderweitige Tätigkeiten ausübt. Da die Klägerin ihr einziges Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums (zu Beginn des 31.12.2016, d. h. um 00:00) veräußert hat und sie als juristische Person über den 30.12.2016 hinaus fortbestand, ist die Klägerin an einem Tag des Erhebungszeitraums (31.12.2016) nicht der begünstigten Tätigkeit nachgegangen. Eine „technisch bedingte“ Ausnahme wird – so der BFH in einem anderen Urteil (BFH-Urteil v. 11.8.2004 – I R 89/03, BStBl. II 2004, 1080) – nur bei einer Veräußerung zum 31.12., 23:59 Uhr, zugelassen.
3. Hinweis für die Praxis
Bei der Veräußerung des letzten Grundstücks des Unternehmens ist hinsichtlich des Zeitpunktes der Veräußerung besondere Vorsicht geboten. Nur bei einer Veräußerung des einzigen bzw. letzten Grundstücks um 23.59 Uhr des Erhebungszeitraumes können nach der Rechtsprechung des BFH die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG während des gesamten Erhebungszeitraumes erfüllt werden. Ein vorheriger Verkauf ist, wie das aktuelle Urteil zeigt, hingegen schädlich.
Christin Sutera
Rechtsanwältin
Kurzfassung:
- Eine der Möglichkeiten zur hundertprozentigen Minderung der Gewerbesteuer ergibt sich für Grundstücksunternehmen aus der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG.
- Eine erweiterte Kürzung ist jedoch dann nicht gegeben, wenn das Grundstücksunternehmen den gesamten Grundbesitz im Laufe des Erhebungszeitraums veräußert, das Unternehmen aber fortbesteht und nur noch nicht begünstigten Tätigkeiten nachgeht.
- Nach dem vom BFH zu entscheidenden Fall ist auf jeden Fall eine Veräußerung zu Beginn des 31.12. für einer Anerkennung der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags schädlich.
Kommentar:
Die erweiterte Gewerbesteuerkürzung ermöglicht es Grundstücksunternehmen, unter bestimmten Voraussetzungen eine Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags vorzunehmen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Das Unternehmen muss dabei ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern. Dabei ist die restriktive Auslegung zu beachten.
Maximilian Appelt
Rechtsanwalt | Steuerberater