GESTALTUNGSOPTION EINZWECKGUTSCHEIN?
RAW-AKTUELL 10/2020
Zuletzt wurde an uns von verschiedener Seite die Frage herangetragen, ob es möglich sei, dem Kunden einen Preisvorteil zu gewähren, indem aktuell sogenannte Einzweckgutscheine zu einem Steuersatz von 16% bzw. 5% verkauft werden, obwohl die Lieferung der Ware, für deren Bezahlung der Einzweckgutschein genutzt werden soll, erst in 2021 erfolgen soll. Ob so die bei Warenauslieferung eigentlich gültigen höheren Steuersätze von 19% bzw. 7% vermie-den werden können, ist rechtlich strittig.
Definition Einzweck- und Mehrzweckgutschein
Unter einem Einzweckgutschein versteht man die entgeltliche Gutscheinausgabe, sofern
- der Ort der Lieferung bzw. Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht sowie
- die dafür geschuldete Umsatzsteuer
feststehen.
In diesem Fall ist die Umsatzsteuer bereits bei Gutscheinausgabe an den Fiskus abzuführen. Die spätere Einlösung des Gutscheins ist dann umsatzsteuerlich insoweit unbeachtlich.
Alle anderen Gutscheine, die gegen Entgelt ausgegeben werden, die aber nicht vollumfänglich die o. g. Bedingungen enthalten, sind sogenannte Mehrzweckgutscheine. Deren Ausgabe ist umsatzsteuerlich irrelevant. Erst bei der Einlösung wird der zu Grunde liegende Umsatz vollumfänglich besteuert.
Gestaltungsoption?
Insofern scheint es gerade bei hochwertigen Warenverkäufen an Privatkunden mit voraussichtlicher Warenlieferung in 2021 verlockend, für diese Waren aktuell bereits einen Einzweckgutschein zu verkaufen und so dem Kunden den jetzt gültigen (niedrigeren) Umsatzsteuersatz zu sichern.
Ob dies allerdings möglich ist, ist zumindest stark fraglich. Denn für einen Einzweckgutschein ist es gerade Voraussetzung, dass bei der Ausgabe der Steuersatz und damit auch der Steuerbetrag bereits feststehen. In der Fachliteratur werden jedoch aktuell sehr unterschiedliche Meinungen vertreten, ob diese Voraussetzung tatsächlich vorliegt.
Denn man kann ohne Weiteres argumentieren, dass der Steuersatz und damit auch der Steuerbetrag im Zeitpunkt der Gutscheinausgabe gerade nicht feststehen, wenn der Gutschein sowohl für Lieferungen in 2020 als auch in 2021 einlösbar ist. Dies lässt sich letztendlich auch nicht lösen. Denn eine Begrenzung der Gültigkeit ab 2021 bringt nichts, da beim Gutscheinverkauf dann die zu jenem Lieferzeitpunkt gültige Steuer von 19% anzusetzen wäre. Eine Be-grenzung der Gültigkeit bis 31.12.2020 bringt aber auch nichts, da dann der gewünschte Effekt nicht eintreten kann.
Weiterhin müsste – wenn es grundsätzlich funktionieren sollte – bei der Umsetzung auf verschiedene Details geachtet werden, deren Nichtbeachtung wiederum schnell zu einem Steuersatz von 19% führen könnte. So müsste der Gutschein sicherlich (nicht zuletzt aus Sicht des Kunden) das Fahrzeug hinreichend genau genug beschreiben. Aus anderer Sicht müsste der Gutschein wiederum zumindest so allgemein formuliert werden, dass davon auch Fahrzeuge erfasst werden, die jetzt in 2020 schon lieferbar wären. Das heißt, auch Verweise wie z. B. auf die Fahrgestellnummer, die parallele Bestellung oder auch ein Lieferdatum in 2021 würden unseres Erachtens sicher dazu führen, dass bei dem Gutschein 19% Umsatzsteuer anfallen. Zusätzlich sollte ein Einzweckgutschein nach ersten Stellungnahmen der Finanzverwaltung auch den Hinweis enthalten, dass es sich um einen Einzweckgutschein handelt.
Absicherung?
Dieses Modell ist somit nicht zuletzt auf Grund der unterschiedlichen Rechtsauffassungen im Schrifttum wirtschaftlich riskant. Insofern sollte – wenn trotzdem daran gedacht werden sollte, dieses Modell umzusetzen – auch an eine wirtschaftliche Absicherung für den Fall gedacht werden, dass die Finanzverwaltung später davon ausgehen sollte, dass bei Gutscheinausgabe doch kein Einzweckgutschein vorliegen konnte, weil bei Gutscheinausgabe die geschuldete Steuer für die spätere Lieferung noch nicht feststand. Dies könnte nur über eine Zusatzvereinbarung mit dem Kunden erreicht werden, dass dieser bei entsprechender Finanzverwaltungsauffassung die drei Prozentpunkte nachträglich bezahlt. Inwieweit diese Vereinbarung dann letztendlich erfolgversprechend ist, ist allerdings auch fraglich. Denn wenn die Finanzverwaltung dieses Thema erst im Rahmen der normalen Betriebsprüfung aufgreifen sollte, dann dürften im Regelfall sicherlich mindestens 3 Jahre – und damit auch die regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche aus dem Kaufvertrag – verstrichen sein. Insofern besteht das Risiko, dass der Verkäufer die ggfls. nachgeforderten 3 Prozentpunkte Umsatzsteuer zzgl. anfallende Zinsen selbst tragen müsste.