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GW-TRENDS VOM 27.07.2022
Vor kurzem hat das Bundesfinanzministerium die Gelegenheit genutzt, eine bislang wenig beachtete, zum 1. Januar 2020 eingeführte gesetzliche Neuregelung mit Leben zu füllen. Konkret geht es um einen Paragrafen im Umsatzsteuerrecht, welcher unter bestimmten Voraussetzungen dazu führen kann, dass der Vorsteuerabzug aus Warenlieferungen oder bezogenen Leistungen bzw. die Umsatzsteuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen versagt wird. Laut Gesetz ist dies immer dann der Fall, wenn ein Unternehmer mit den von ihm erbrachten Lieferungen bzw. Leistungen in eine Liefer- bzw. Leistungskette eingebunden ist, in welcher ein anderer Beteiligter dieser Kette Umsatzsteuer hinterzogen oder eine Umsatzsteuerverkürzung begangen hat. Hinzu kommt laut Gesetz die Voraussetzung, dass der Unternehmer von dieser Steuerverkürzung wusste oder zumindest davon hätte wissen müssen.

Alternativ zur Umsatzsteuerverkürzung kann die neue gesetzliche Regelung auch zur Anwendung kommen, wenn in der Liefer- bzw. Leistungskette eine „Schädigung des Umsatzsteueraufkommens“, also ein bußgeldbewehrter Verstoß gegen bestimmte umsatzsteuerliche Pflichten, stattfand. Hierzu zählen beispielsweise die nicht (rechtzeitige) Rechnungsstellung, ein Verstoß gegen die Aufbewahrungsfristen von Rechnungen oder auch die nicht, nicht richtig, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig abgegebene bzw. berichtigte Zusammenfassende Meldung! Auch hier bleibt es dabei, dass man als Unternehmen von diesen Ordnungswidrigkeiten Anderer wusste oder zumindest davon hätte wissen müssen.

Finanzverwaltung interpretiert Gesetz zu ihren Gunsten

Die Finanzverwaltung hat nun konkretisiert, was sie unter diesem „wissen oder hätte wissen müssen“ versteht. Wenig überraschend fällt diese Interpretation eher zu Gunsten der Finanzverwaltung aus. So führt die Finanzverwaltung zunächst aus, dass sie den Begriff der Liefer- bzw. Leistungskette sehr umfassend versteht. So soll laut Bundesfinanzministerium die Neuregelung nicht nur dann zur Anwendung kommen, wenn der betrugsbehaftete Umsatz unmittelbar vor oder nach dem Umsatz des betroffenen Unternehmers stattfand. Vielmehr ist es ausreichend, dass der betrugsbehaftete Umsatz irgendwann früher oder später in der Kette stattgefunden hat. Weiterhin kann der Vorsteuerabzug nicht nur bei einem, sondern im Zweifel bei allen in der Liefer- bzw. Leistungskette involvierten Unternehmen versagt werden – wenn sie denn von dem Betrug wussten oder hätten wissen müssen. Dabei ist den Unternehmen auch das Wissen von Angestellten zuzurechnen. Hätte also beispielsweise ein Verkäufer einen potentiellen Umsatzsteuerbetrug von einem anderen Beteiligten erkennen können, hat aber nicht entsprechend reagiert, kann dies zu Lasten des gesamten Unternehmens gehen.

Ob eine Umsatzsteuerverkürzung bzw. Ordnungswidrigkeit des anderen Beteiligten durch eine strafrechtliche Verurteilung oder ein Bußgeld geahndet wurde, ist nach Auffassung der Finanzverwaltung irrelevant. Aus Sicht des Bundesfinanzministeriums ist es dabei ausreichend, dass objektiv der Tatbestand der Steuerhinterziehung, der Steuerverkürzung oder bestimmter Ordnungswidrigkeiten vorliegt. Interessant ist, dass die Veranlagungsbeamten oder Betriebsprüfer dabei auch nicht an die Entscheidungen der Straf- und Bußgeldabteilungen der Finanzämter gebunden sind.

Katalog von potentiellen Unregelmäßigkeiten

Weiterhin hat die Finanzverwaltung auch eine Liste von Anhaltspunkten veröffentlicht, welche beispielsweise als Unregelmäßigkeiten gelten sollen, denen nachgegangen werden soll. Dies soll – beispielsweise, aber nicht abschließend – dann der Fall sein, wenn:
  • der Unternehmer durch einen Dritten aufgefordert/gebeten wird, sich an Umsätzen zu beteiligen, bei denen der Dritte die Rahmenbedingungen für das Umsatzgeschäft vorgibt (z. B. Vermittlung von Beteiligten, Vorgabe von Einkaufs-/Verkaufspreisen, Zahlungsmodalitäten oder Liefer- bzw. Leistungswegen);
  • die Finanzierung des Wareneinkaufs erst nach erfolgtem Warenverkauf möglich ist;
  • (angebotene) Mehrfachdurchläufe von Waren festgestellt werden;
  • dem Unternehmer Waren bzw. Leistungen angeboten werden, deren Preis unter dem Marktpreis liegt;
  • branchenunübliche Barzahlungen oder eine ungewöhnliche Zahlungsabwicklung erfolgen;
  • die Ansprechpartner in den Unternehmen oder die Ansprechpartner die Unternehmen häufig wechseln;
  • bei den Beteiligten berufliche Erfahrung und Branchenkenntnis fehlen;
  • die Beteiligten wiederholt ihren Unternehmenssitz verlegen;
  • Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Beteiligten bestehen (z. B. aufgrund von Abweichungen des Gesellschaftszwecks oder der Geschäftsadressen zu den Angaben laut Handelsregister);
  • der Gesellschaftszweck laut Handelsregister nicht dem tatsächlich ausgeübten Gesellschaftszweck entspricht;
  • dem Unternehmer eine Warenmenge oder ein Leistungsumfang angeboten wird, die für die Größe des Unternehmens in der Branche unüblich ist (z. B. ungewöhnlich hohe Stückzahlen trotz Neugründung);
  • die Beteiligten über keine ausreichenden Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme verfügen (z. B. Website ohne Impressum, Rufnummer oder E-Mail-Adresse);
  • ungewöhnliche Leistungsbedingungen vorliegen (z. B. die Leistungen werden von einem oder an einen nicht an dem Umsatz beteiligten Unternehmen erbracht);
  • durch den Unternehmer über zugängliche Informationsquellen (z. B. Internetrecherche) festgestellt werden kann, dass die Anlieferung der Waren an die vom Abnehmer angegebene Lieferadresse nicht möglich erscheint.

Neue Dokumentationspflichten

Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann ein Unternehmen der Versagung des Vorsteuerabzugs oder der Steuerfreiheit seiner innergemeinschaftlichen Lieferung allerdings entgehen, wenn er „alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in eine Umsatzsteuerhinterziehung und nicht in eine Schädigung des Umsatzsteueraufkommens einbezogen sind.“ Sofern also Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten – egal ob bei neuen oder bei bestehenden Geschäftsbeziehungen – erkennbar sind, muss der Unternehmer gemäß der Finanzverwaltung weitergehende geeignete Maßnahmen ergreifen (z. B. Auskünfte einholen) und dies auch dokumentieren. Kommt der Unternehmer dem nicht nach oder kann vorliegende Zweifel durch die ergriffenen Maßnahmen nicht ausräumen und geht die Geschäftsbeziehung dennoch ein bzw. führt diese fort, ist nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums von einem Wissen oder Wissen müssen auszugehen. Was wiederum die Versagung des Vorsteuerabzugs bzw. der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung zur Folge hat.

Wie dies damit in Einklang gebracht werden kann, dass ein Vorsteuerabzug nur dann versagt werden kann, wenn die Finanzverwaltung nachweist, dass eine Umsatzsteuerverkürzung bzw. eine umsatzsteuerliche Ordnungswidrigkeit in der Liefer- bzw. Leistungskette stattgefunden hat und dass der betroffene Unternehmer auch zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs bzw. der Leistungserbringung davon wusste, bleibt offen.


Stan Guthmann
Steuerberater



Kommentar:

Es bleibt abzuwarten, wie die neue Verwaltungsanweisung gelebt wird. Streng nach dem Wortlaut bieten die Ausführungen durchaus jede Menge Spielraum für nachträgliche Steuerfestsetzungen. Denn der von der Finanzverwaltung veröffentlichte Katalog, welcher nach ihrer Auffassung Unregelmäßigkeiten beinhalten soll, welcher Unternehmen zu „geeigneten“ Nachforschungen und entsprechender Dokumentation verpflichtet, ist nicht nur umfangreich, sondern auch an vielen Stellen schwammig. Zudem sind Punkte wie „bei den Beteiligten fehlende berufliche Erfahrung und Branchenkenntnis“ auch schwer zu erkennen. Da würden selbst Maßnahmen nicht weiterhelfen wie der von der Finanzverwaltung faktisch bei jedem potentiellen Geschäft geforderte aktuelle chronologische Handelsregisterauszug bzw. eine entsprechende Internetrecherche der jeweiligen Lieferanten bzw. Kunden. Nach Bürokratieabbau und Steuervereinfachung klingen diese Maßnahmen jedenfalls nicht.

Maximilian Appelt
Rechtsanwalt | Steuerberater




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