RUND UM DEN URLAUB - RECHTE UND PFLICHTEN
AUTO-SERVICE-PRAXIS VOM 09.03.2021
Das deutsche Urlaubsrecht ist maßgeblich geprägt vom Einfluss des Europarechts. Daher gab es in den letzten Jahren zahlreiche Änderungen. Auch die Corona-Krise hat einige Fragen, insbesondere zum Thema Betriebs- und Zwangsurlaub aufgeworfen, daher möchten wir Ihnen im Folgenden einen Überblick über die aktuellen Grundlagen geben:
Mindesturlaub
Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf 24 Tage bezahlten Urlaub. Das Gesetz geht von einer 6-Tage-Woche aus, so dass der Mindesturlaub bei einer 5-Tage-Woche 20 Arbeitstage beträgt (§ 3 Abs. 1 BUrlG).
Schwerbehinderte Arbeitnehmer erhalten bei einer 5-Tagewoche fünf zusätzliche Urlaubstage pro Jahr.
Jugendliche haben - gestaffelt nach dem Alter - zwischen 30 und 25 Tage Urlaub (§ 19 Jugendarbeitsschutzgesetz).
Überobligatorischer Urlaub
Viele Tarif- und Arbeitsverträge gewähren Beschäftigen mehr als den gesetzlichen Mindesturlaub (überobligatorischer Urlaub). Wird nicht zwischen gesetzlichem und überobligatorischem Urlaub unterschieden, gelten für beide Ansprüche dieselben Regeln. Differenziert der Arbeitgeber hingegen, darf er an die Gewährung unterschiedliche Anforderungen stellen.
Urlaub bei Teilzeit
Bei Teilzeitbeschäftigten richtet sich der Urlaub nach Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage und berechnet sich nach der Formel 24 / 6 x Anzahl der Arbeitstage = Mindesturlaub.
Teilurlaub
Besteht das Arbeitsverhältnis im Eintrittsjahr weniger als sechs Monate, erhält der Arbeitnehmer für jeden vollen Beschäftigungsmonat 1/12 seines Jahresurlaubs (Zwölftelungsprinzip).
Der Jahresurlaub wird auch gezwölftelt, wenn das Arbeitsverhältnis nicht länger als sechs Monate besteht.
In dem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis endet, gilt ebenfalls das Zwölftelungsprinzip, wenn der Arbeitnehmer in der ersten Hälfte des Kalenderjahres ausscheidet.
Der Jahresurlaub wird nur in den gesetzlich genannten Fällen geteilt! Im Umkehrschluss heißt das, dass bei einem Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte der volle Urlaubsanspruch gewährt werden muss!
Es gibt nur ganze Urlaubstage. Bruchteile, die mindestens einen halben Tag ergeben, werden aufgerundet.
Der volle Urlaubsanspruch entsteht erstmals nach sechs Monaten seit Beginn des Arbeitsverhältnisses (§ 4 BUrlG).
Ist die Wartezeit von sechs Monaten erfüllt, muss der Arbeitgeber den Urlaub gewähren, sofern nicht betriebliche Gründe entgegenstehen.
Keine Erstattung von Urlaub
Wer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mehr Urlaubstage genommen hat, als ihm zustehen würden, muss für die zu viel genommenen Tage weder Arbeit nachholen noch eine Entgeltkürzung hinnehmen.
Auszahlung des Urlaubs (Urlaubsabgeltung)
Urlaub dient der Erholung. Deshalb ist der Urlaubsanspruch ein Naturalanspruch, auf den der Arbeitnehmer nicht verzichten kann. Auch eine Auszahlung in Geld ist unzulässig.
Eine Urlaubsabgeltung, ist nur vorgesehen, wenn Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann. Die Berechnung erfolgt nach dem gleichen Prinzip wie beim Urlaubsentgelt.
Urlaubsentgelt
Die Vergütung während des Urlaubs (Urlaubsentgelt) bemisst sich nach dem Gehalt der letzten 13 Wochen.
Berechnungsformel bei einer 5-Tage-Woche: Gesamtverdienst der letzten 13 Wochen / 65 Tage = Lohnanspruch pro Tag in Euro. Dieser Euro-Betrag wird dann mit der Anzahl der Urlaubstage multipliziert.
Urlaubsgeld
Das Urlaubsgeld ist eine zusätzliche Leistung des Arbeitgebers (Gratifikation).Eine solche Vergütung ist grundsätzlich nur zu gewähren, wenn sie vereinbart ist oder ein anzuwendender Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung die Zahlung vorsieht. Ein Anspruch kann sich auch aus betrieblicher Übung ergeben.
Selbstbeurlaubung
Wer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub antritt, riskiert eine fristlose Kündigung.
Urlaubsansprüche während der Elternzeit
Der Arbeitgeber darf nach vorheriger Ankündigung (vor oder während der Elternzeit) den Urlaub für jeden vollen Monat Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Sollte das Arbeitsverhältnis nach der Elternzeit beendet werden, kann die Kürzung nur vor der Beendigung erklärt werden.
Urlaubsansprüche bei ruhendem Arbeitsverhältnis
Ruht das Arbeitsverhältnis (z.B. unbezahlter Urlaub / Sabbatjahr), erwirbt der Arbeitnehmer auch keinen Anspruch auf (Mindest-)Urlaub in der Zeit, in der er nicht arbeitet.
Krankheit
Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, darf die Zeit der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Urlaub angerechnet werden.
Verfall des Urlaubs
Früher galt: Urlaub, der bis zum Jahresende oder bei Übertragung bis zum 31.03. des Folgejahres nicht genommen wird, verfällt ersatzlos.Nach neuer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) darf der (Mindest-) Urlaubsanspruch nur noch verfallen, wenn die Arbeitnehmer rechtzeitig schriftlich informiert wurden, dass der Urlaub bis zum 31.12. bzw. bis zum 31.03. genommen werden muss, da er ansonsten erlischt. Beweispflichtig ist der Arbeitgeber.
Urlaub verfällt neuerdings nicht mehr bei Dauererkrankungen, es gibt aber eine Obergrenze: Nach gefestigter Rechtsprechung, verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch spätestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahrs.
Urlaubsverfall und Verjährung
Die Hinweispflicht des Arbeitgebers umfasst auch den Urlaub aus Vorjahren. Ob es unionsrechtskonform ist, dass in solchen Fällen der Urlaubsanspruch der gesetzlichen Verjährung unterliegt, soll der EuGH klären. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dem EuGH diese Frage vorgelegt, die Entscheidung steht noch aus.
Betriebsferien
Betriebsferien dürfen nur unter Einhaltung einer angemessenen Ankündigungsfrist angeordnet werden. Üblicherweise vor Beginn des Urlaubsjahres, damit sich die Arbeitnehmer darauf einstellen können.
Die Rechtsprechung verlangt zudem, dass nicht der gesamte Urlaub für Betriebsferien verplant werden darf. Die Beschäftigten müssen vielmehr einen wesentlichen Teil ihrer freien Tage übrigbehalten, den sie nach den eigenen Bedürfnissen verplanen können. Genaue Quoten gibt es nicht, dass BAG hat aber bereits entschieden, dass drei Fünftel des regulären Urlaubs für Betriebsferien verplant werden dürfen.
Es ist unzulässig, Arbeitnehmern, die im ablaufenden Jahr keinen Urlaubsanspruch mehr haben, Betriebsferien auf den Urlaubsanspruch des kommenden Jahres anzurechnen. Der Anspruch ist an das jeweilige Urlaubsjahr gebunden (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG).
Wenn es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt, muss der beim Thema Betriebsurlaub mitbestimmen.
Zwangsurlaub beispielsweise wegen betrieblicher Krise/ Corona
Wünsche der Arbeitnehmer sind bei der Urlaubserteilung zu berücksichtigen, soweit dringende betriebliche Belange nicht entgegenstehen. Arbeitgeber können daher auch in der Corona-Krise Urlaub nicht einseitig festlegen.
Die kurzfristige Anordnung einer Betriebsschließung unter Gewährung von (Zwangs-)Urlaub
dürfte schon an der Ankündigungsfrist scheitern. Auch wenn Gerichte in der aktuellen Krisensituation möglicherweise kürzere Fristen als "angemessen" ansehen, sollten Arbeitgeber sinnvollerweise auf einvernehmliche Lösungen setzen.
Karin Runge
Rechtsanwältin
Kommentar:
Das Urlaubsrecht in der Bundesrepublik Deutschland richtet sich nach dem Bundesurlaubsgesetz. Dieses Gesetz regelt Mindestbedingungen für Arbeitnehmer und ist insoweit unabdingbar.
Da es sich lediglich um Mindestvorgaben handelt, sehen Einzelarbeitsverträge oder Tarifverträge für Arbeitnehmer oft günstigere Regelungen vor.
Generell ist zu konstatieren, dass durch den EuGH die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit in den letzten Jahren schon des Öfteren verworfen wurde. Es ist davon auszugehen, dass weitere revolutionäre Urteile des EuGH folgen werden.
Maximilian Appelt
Rechtsanwalt | Steuerberater