STEUERLICHES ALLEREI UNTERNEHMEREINGENSCHAFT VON AUFSICHTS-, VERWALTUNGS- UND BEIRÄTEN
AUTOHAUS ARTIKEL VOM 04.10.2021
Auf Grund inzwischen verschiedener anderslautender Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung sich nun zur Unternehmereigenschaft von Aufsichts-, Verwaltungs- und Beiräten geäußert. Infolgedessen dürfte für eine ganze Reihe dieser Personen die umsatzsteuerliche Registrierungspflicht sowie die Pflicht zur Abrechnung und Abführung von Umsatzsteuer entfallen. Auf Grund verschiedener Urteile stand in Frage, ob Aufsichts-, Verwaltungs- und Beiräte tatsächlich aus umsatzsteuerlicher Sicht (weiterhin) als Unternehmer zu beurteilen sind. Die Finanzverwaltung war bislang der Auffassung, dass Aufsichts-, Verwaltungs- und Beiräte nicht nur ertragsteuerlich, sondern auch umsatzsteuerlich als selbständige Unternehmer einzustufen seien.
Hinsichtlich der Umsatzsteuer hat die Finanzverwaltung nun ihre Auffassung geändert und sich der Rechtsprechung angeschlossen. Danach gelten Aufsichtsräte nunmehr mangels Vergütungsrisiko nicht mehr als selbständige Unternehmer, wenn sie eine jährliche Fixvergütung erhalten, die unabhängig vom tatsächlichen Arbeitsaufwand stets gleichbleibt. Insoweit dürfen dann auch keine Rechnungen mehr mit Umsatzsteuerausweis erstellt werden.
Beispiel:
Der Aufsichtsrat A erhält eine jährliche Fixvergütung in Höhe von EUR 10.000,- und zwar unabhängig von der Zahl der geleisteten Stunden sowie der Anzahl an Aufsichtsratssitzungen, an denen er teilgenommen hat.
Aufsichtsrat A ist nach der neuen Ansicht der Finanzverwaltung auf Grund seines mangelnden Vergütungsrisikos insoweit für Zwecke der Umsatzsteuer nicht mehr als selbständiger Unternehmer anzusehen. In ertragsteuerlicher Hinsicht erzielt der Aufsichtsrat mit dieser Tätigkeit weiterhin (in der Regel) selbständige Einkünfte.
Beispiel (Abwandlung):
Die Aufsichtsrätin B erhält eine fixe Vergütung pro Teilnahme an den üblicherweise 6 Aufsichtsratssitzungen der Aktiengesellschaft Y.
Die Aufsichtsrätin B ist sowohl nach der alten als auch nach der neuen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung insoweit als selbständige Unternehmerin anzusehen, da sie in Abhängigkeit von ihren Teilnahmen an den Aufsichtsratssitzungen unterschiedlich hohe Umsätze haben kann und insoweit ein Vergütungsrisiko besteht.
Die Finanzverwaltung hat in ihrer Stellungnahme auch ihre Definition dargelegt, in welchen Fällen sie von einer fixen Vergütung ausgeht. Danach dürfen bis zu 10% der gesamten Vergütung variabel sein, um insgesamt noch von einer Fixvergütung sprechen zu können.
In diesem Zusammenhang ist weiterhin zu beachten, dass etwaig gesondert abgerechnete Reisespesen bei dieser Berechnung komplett außen vorgelassen werden.
Die neuen umsatzsteuerlichen Regelungen für Aufsichtsräte gelten analog für andere Gremien, welche nicht der Ausübung, sondern der Kontrolle der Geschäftsführung dienen. Damit sollten diese Regelungen auch analog für Verwaltungs- und Beiräte gelten.
Bei mehreren Mandanten ist für jedes einzelne Aufsichts-, Verwaltungs- oder Beiratsmandat separat zu prüfen, ob insoweit aus umsatzsteuerlicher Sicht eine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt wird.
Die neuen Regeln sollen gemäß der Auffassung der Finanzverwaltung ab dem 1.1.2022 gelten. Das heißt, für Vergütungen des Jahres 2021 (und früher) beanstandet es die Finanzverwaltung nicht, wenn die bisherigen Regelungen (d.h. Umsatzsteuerpflicht auch bei Fixvergütung) beibehalten werden. Allerdings besteht insoweit ein Wahlrecht, die neuen Regelungen auch für 2021 und andere noch verfahrensrechtlich offene Jahre bereits anzuwenden.
Für die Unternehmen haben die neuen Regelungen zur Folge, dass diesbezüglich kein Vorsteuerabzugsrecht mehr aus Rechnungen von Aufsichts-, Verwaltungs- und Beiräte besteht, soweit jene nicht mehr als umsatzsteuerlicher Unternehmer gelten und fälschlicherweise Umsatzteuer in der Rechnung ausgewiesen ist. Sofern Aufsichts-, Verwaltungs- und Beiräte rückwirkend die neuen Regelungen anwenden wollen, sind ggfls. mit Steuerausweis erstellte Rechnungen sowie etwaig geltend gemachte Vorsteuerbeträge zu korrigieren.
Bundesverfassungsgericht – steuerliche Zinsen seit dem 01.01.2014 verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht hat Mitte August entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen in Höhe von 0,5 % pro Monat seit dem 01.01.2014 verfassungswidrig ist, wobei zu berücksichtigen ist, dass für Verzinsungszeiträume vom 01.01.2014 bis zum 31.12.2018 die bisherige Verzinsung jedoch weiterhin gilt. Erst für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 muss der Gesetzgeber eine Neuregelung bis zum 31.07.2022 vorlegen. Was bedeutet das jetzt genau.
§ 233a AO regelt die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen. Die Verzinsung betrifft den Zeitraum zwischen der Entstehung der Steuer und ihrer Festsetzung (Grundsatz der Vollverzinsung). Der Zinslauf beginnt allerdings nicht bereits mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, sondern erst nach einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten. Von der Vollverzinsung betroffen sind damit lediglich diejenigen Steuerpflichtigen, deren Steuer erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums nach der Entstehung des Steueranspruchs erstmalig festgesetzt oder geändert wird. Praktisch bedeutsam sind insoweit insbesondere (geänderte) Steuerfestsetzungen nach einer Außenprüfung. Die Zinsen betragen nach § 238 Abs. 1 AO für jeden vollen Monat des Zinslaufs 0,5 %, mithin 6 % jährlich. Von der Verzinsung erfasst werden nur die in § 233a Abs. 1 Satz 1 AO abschließend aufgezählten Steuerarten der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Vermögensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Die Vollverzinsung wirkt sowohl zugunsten (im Fall der Steuererstattung) als auch zuungunsten (im Fall der Steuernachforderung) der Steuerpflichtigen. Die Gründe für eine späte Steuerfestsetzung und insbesondere, ob die Steuerpflichtigen oder die Behörde hieran ein Verschulden trifft, sind für die Verzinsung unerheblich.
Die Frage, ob eine 6-prozentige Jahresverzinsung angesichts der Zinsentwicklung auf dem Kapitalmarkt noch verfassungskonform ist, beschäftigt Rechtsprechung und Verwaltung schon seit einiger Zeit. Der BFH hatte zuletzt mit seinen Entscheidungen v. 25.04.2018, IX B 21/18 und v. 03.09.2018, VIII B 15/18 die Rechtmäßigkeit der aktuellen Vollverzinsung in Zweifel gezogen und im Rahmen der summarischen Prüfung des Aussetzungsverfahrens den Klägern für Verzinsungszeiträume ab 01.04.2015 bzw. 01.11.2012 Recht gegeben.
Daraufhin hatte die Finanzverwaltung im Erlasswege verfügt, dass u.a. für Verzinsungszeiträume ab dem 01.04.2012 Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist, zudem wurde angeordnet, sämtliche Zinsbescheide (§ 233 AO), denen ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat zugrunde liegt (§ 238 AO), vorläufig (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nummer 3 AO) ergehen zu lassen.
Verzinsungszeiträume im Einzelnen:
- Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2013 und früher fallen, sind verfassungsgemäß, d.h. hier ist der Zinssatz von 0,5 % pro Monat nicht zu beanstanden. Steuerpflichtige, die hier Einspruch eingelegt haben, müssen mit einer Zurückweisung ihres Einspruchs rechnen. Im Falle einer Aussetzung der Vollziehung wird der ausgesetzte Betrag gezahlt werden müssen.
- Für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2014 bis einschließlich 2018 fallen, besteht nun eine festgestellte Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes, jedoch bleibt das aktuelle Recht weiterhin anwendbar. Dies bedeutet, dass auch in diesen Fällen eingelegte Einsprüche abgewiesen werden und ausgesetzte Beträge gezahlt werden müssen. Sofern die Zinsfestsetzung vorläufig erfolgt ist, wird die Finanzverwaltung die Vorläufigkeit aufheben.
- Lediglich für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2019 und später fallen, muss der Gesetzgeber bis zum 31.07.2022 eine verfassungskonforme gesetzliche Neuregelung vorlegen. Die Neuregelung greift dann für alle Zinsbescheide, die vorläufig ergangen sind, bzw. gegen die Einspruch eingelegt wurde.
UPDATE – Verlängerung Corona Bonus bis zum 31.03.2022
Noch bis zum 31.03.2022 können Arbeitgeber jedem Arbeitnehmer (unabhängig von seiner Tätigkeit) einmalig eine Corona-Prämie bis zu 1.500 EUR steuer- und sozialabgabenfrei zusätzlich zum Arbeitslohn auszahlen. Dies gilt nicht, sofern diese schon im Jahr 2020 oder 2021 vollständig gezahlt wurde, da die Privilegierung nur einmal in voller Höhe pro Arbeitnehmer greift. Es ist erforderlich schriftlich zu dokumentieren, dass die Corona-Prämie zur Abmilderung der zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Krise gezahlt wird. Es besteht eine Aufzeichnungspflicht im Lohnkonto.
Zunächst war vorgesehen, dass der sogenannte „Corona-Bonus“ bis zum 31.12.2020 auszubezahlen ist, dann wurde die Frist bis zum 30.06.2021 verlängert, nun ist eine Auszahlung bis zum 31.03.2022 möglich. Sollten Sie also den Bonus noch nicht in voller Höhe ausbezahlt haben, dann können Sie das noch bis zum 31.03.2022 nachholen, da eine Auszahlung auch in mehreren Raten bis zum Maximalbetrag von 1.500 EUR erfolgen kann. Voraussetzung ist aber, dass der Bonus zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet wird und dass es sich um Beihilfen und Unterstützungen zur Abmilderung der zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Krise handelt.
Maximilian Appelt
Rechtsanwalt | Steuerberater
Kurzfassung:
- Aufsichtsräte gelten nunmehr mangels Vergütungsrisiko nicht mehr als selbständige Unternehmer, wenn sie eine jährliche Fixvergütung erhalten, die unabhängig vom tatsächlichen Arbeitsaufwand stets gleichbleibt.
- Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der steuerliche Zins seit dem 01.01.2014 verfassungswidrig ist, Änderungen gibt es aber erst für Verzinsungszeiträume nach dem 01.01.2019.
- Der Corona-Bonus von bis zu 1.500 Euro kann bis zum 31.03.2022 ausbezahlt werden.
Kommentar:
Es ist schon erstaunlich, dass das Bundesverfassungsgericht die steuerlichen Zinsen seit dem 01.01.2014 als verfassungswidrig einstuft, für die Jahre 2014 bis 2018 es jedoch keinerlei Änderungen gibt, d.h. das bestehende (verfassungswidrige) Recht 4 Jahre weiterhin angewendet wird. Erst für die Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 muss der Gesetzgeber bis zum 31.07.2022 eine Neuregelung vorlegen. Da sind wir mal gespannt, was der Gesetzgeber wieder aus dem Hut zaubert.
Barbara Muggenthaler
Wirtschaftsprüferin | Steuerberaterin