VORAUSSETZUNGEN UND NACHWEISE FÜR STEUERFREIE INNERGEMEINSCHAFTLICHEN LIEFERUNGEN
AUTOHAUS ARTIKEL VOM 02.11.2020
Zum 1. Januar 2020 wurden auf Grund EU-weiter Regelungen weitere Voraussetzungen und alternative Belegnachweise für die Umsatzsteuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen eingeführt. In einem aktuellen Schreiben hat das Bundesfinanzministerium nun mitgeteilt, wie diese neuen Bestimmungen nach dem Verständnis der Finanzverwaltung auszulegen sind.
Eingeführte Neuerungen
Durch die Änderungen wird seit Anfang 2020 das Vorliegen einer umsatzsteuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung an drei weitere Voraussetzungen geknüpft:
- der Abnehmer ist in einem anderen EU-Staat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasst,
- der Abnehmer verwendet seine UStIDNr. bis spätestens im Zeitpunkt der Lieferung und
- die Zusammenfassende Meldung (ZM) muss (insoweit) richtig und fristgemäß abgegeben werden.
Die deutsche Finanzverwaltung ist bislang davon ausgegangen, dass die „Verwendung einer UStIDNr.“ entweder
- schriftlich bei Vertragsabschluss,
- mittels Aufzeichnung bei mündlicher Erteilung oder
- mittels Verwendung in einem Grundlagenvertrag
erfolgen soll.
Dieser Katalog wird nun dahingehend ergänzt, dass die Finanzverwaltung auch dann von einem aktiven Verwenden der UStIDNr. ausgeht, wenn
- der Leistungsempfänger die Erklärung über die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug objektiv nachvollziehbar vorgenommen hat,
- der Leistungsbezug vom Leistungsempfänger in zutreffender Weise erklärt worden ist,
- der leistende Unternehmer seinen Meldepflichten in der ZM nachgekommen ist und
- die Rechnung über die Leistung einen Hinweis auf die UStIDNr., die in der ZM angegeben wurde, enthält.
Wird die UStIDNr. vom Kunden erst nach der Auslieferung verwendet, dann soll diese rückwirkend für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung gelten – aber nur, wenn die UStIDNr. im Zeitpunkt der Lieferung gültig war. Wie dies allerdings durch den leistenden Unternehmer nachgewiesen werden soll, bleibt leider offen, da diese beim Bundeszentralamt für Steuern stets nur tagesaktuell geprüft werden kann.
Für den Fall, dass der Käufer (unselbständiges) Mitglied einer umsatzsteuerlichen Organschaft ist, der vom zuständigen ausländischen Fiskus insgesamt nur eine UStIDNr. zugeordnet wurde, wird klargestellt, dass die Finanzverwaltung die UStIDNr. der Organschaft akzeptiert.
Seit dem 01.01.2020 ist weiterhin Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung, dass die Lieferung richtig, vollständig und fristgerecht in der ZM aufgenommen worden ist (gleiches gilt für das sogenannte innergemeinschaftliche Verbringen). Da die ZM erst nach der Umsatzsteuer-Voranmeldung abgegeben wird (soweit keine Dauerfrist-Verlängerung vorliegt), stellt die Finanzverwaltung fest, dass die Feststellung, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, immer erst nachträglich getroffen werden kann. Welche Auswirkungen dies nun für Unternehmen hat, die ohne Dauerfristverlängerung steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen erklären, wird leider nicht expliziert ausgeführt. Allerdings verstehen wir die Formulierung so, dass in solchen Fällen – auch, wenn noch keine ZM abgegeben wurde – zunächst eine Meldung des steuerfreien Umsatzes in der UStVA erfolgen kann und diese dann gegebenenfalls korrigiert werden muss.
Weitere wichtige Aussagen sind, dass die Korrektur einer fehlerhaften ZM möglich ist. Dies hat jedoch zum einen innerhalb eines Monats nach Erkennen des Fehlers und zum anderen stets für den Monat der betroffenen Lieferung zu erfolgen. Geschieht dies nicht, geht die Finanzverwaltung insgesamt von einer steuerpflichtigen Lieferung aus.
Beispiel:
Der in Deutschland ansässige Unternehmer U liefert an einen französischen Unternehmer A am 10.02.2020 eine Maschine im Wert von 50.000 €. A hat gegenüber U seine französische UStIDNr. bei Auftragserteilung verwendet. In der ZM für Februar 2020 gibt U versehentlich durch einen fehlerhaften Abgleich im Buchhaltungssystem an, Gegenstände im Wert von 5.000 € an A geliefert zu haben. U entdeckt den Fehler zufällig am 10.06.2020 und meldet in der ZM Juni 2020, die er am 05.07.2020 an das BZSt übermittelt, dass er an A Waren im Wert von 45.000 € geliefert hat. Zwar liegen die übrigen Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vor, allerdings hat U für Februar 2020 eine falsche ZM in Bezug auf die Lieferung an A abgegeben. Da er den Fehler nicht in der ursprünglichen ZM für Februar 2020 berichtigt hat, sondern in der ZM für Juni 2020, ist die Steuerfreiheit insgesamt zu versagen. Würde U sowohl die ZM für Februar 2020, als auch Juni 2020 noch innerhalb der Monatsfrist des § 18a Abs. 10 UStG berichtigen, würde die Steuerfreiheit wiederaufleben.
Änderungen beim Belegnachweis
Während die vorgenannten Ausführungen die materiellen Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung betreffen, geht es beim Belegnachweis „lediglich“ um formelle Voraussetzungen. Mit den diesbezüglich zum 01.01.2020 eingeführten Neuregelungen, wird nunmehr bei Vorliegen der in § 17a UStDV genannten Belege (widerlegbar) vermutet, dass die Ware ins übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist. Das heißt, hier tritt eine Beweislastumkehr zu Ungunsten der Finanzverwaltung ein, da diese in solchen Fällen nachweisen muss, dass die Ware doch nicht ins übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist. Allerdings sind die dafür notwendigen Belege für viele Branchen bestenfalls unpraktisch, schlimmstenfalls gar nicht zu beschaffen. Zudem geht die Finanzverwaltung davon aus, dass bereits wieder eine Beweislast für das Verbringen der Ware ins übrige Gemeinschaftsgebiet beim Steuerpflichtigen besteht, wenn die Finanzverwaltung lediglich nachweisen kann, dass in den vorgelegten Belegen unzutreffende Angaben enthalten oder die Belege gefälscht sind.
Insofern ist es positiv, dass die Finanzverwaltung klargestellt hat, dass die Steuerpflichtigen die Wahl zwischen den bisherigen Bestimmungen (Gelangensbestätigung, etc.) und der neuen Regelung haben. Insofern brauchen diesbezüglich auf Grund der neuen Gesetzeslage keine funktionierenden Prozesse geändert werden.
Stan Guthmann
Steuerberater
Kurzfassung:
1. Seit Anfang 2020 wird das Vorliegen einer umsatzsteuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung daran geknüpft, dass der Abnehmer in einem anderen EU-Staat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasst ist, der Abnehmer seine UStIDNr. bis spätestens im Zeitpunkt der Lieferung verwendet und die Zusammenfassende Meldung (ZM) (insoweit) richtig und fristgemäß abgegeben wird.
2. Die deutsche Finanzverwaltung ist bislang davon ausgegangen, dass die „Verwendung einer UStIDNr.“ entweder schriftlich bei Vertragsabschluss, mittels Aufzeichnung bei mündlicher Erteilung oder mittels Verwendung in einem Grundlagenvertrag erfolgen soll.
3. Dieser Katalog wird nun dahingehend ergänzt, dass die Finanzverwaltung auch dann von einem aktiven Verwenden der UStIDNr. ausgeht, wenn der Leistungsempfänger die Erklärung über die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug objektiv nachvollziehbar vorgenommen hat, der Leistungsbezug vom Leistungsempfänger in zutreffender Weise erklärt worden ist, der leistende Unternehmer seinen Meldepflichten in der ZM nachgekommen ist und die Rechnung über die Leistung einen Hinweis auf die UStIDNr., die in der ZM angegeben wurde, enthält.
Kommentar:
Das Bundesministerium der Finanzen stellt in seinem Schreiben klar, dass die ZM berichtigt werden kann. Für die Steuerpflichtigen bedeutet das, bei einer versehentlich falschen ZM und der Fehlerentdeckung zügig zu handeln. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist nämlich die innergemeinschaftliche Lieferung zwingend mit Umsatzsteuer abzurechnen, wenn es die Steuerpflichtigen verpassen innerhalb der Monatsfrist nach Fehlerentdeckung die ZM zu berichtigen. Daher ist Eile geboten.
Maximilian Appelt
Rechtsanwalt | Steuerberater