ZOLLRECHTLICHE RISIKEN BEI DER BEARBEITUNG VON DRITTLANDSFAHRZEUGEN
RAW-AKTUELL 1/2022
Drittlandsfahrzeuge können aus zollrechtlicher Sicht vergleichsweise unproblematisch bearbeitet werden, soweit es lediglich die Wiederherstellung des Fahrzeugs in den vorherigen Zustand betrifft und damit keine beträchtliche Werterhöhung einhergeht (typische „Liegenbleiberfälle“). Aus zoll- und damit auch einfuhrumsatzsteuerlicher Sicht risikobehaftet sind jedoch vor allem diejenigen Fälle, in denen ein Umbau oder Tuning von Fahrzeugen erfolgt. Hier müssen insbesondere zollrechtliche Formalitäten beachtet werden.
Das Zollrecht ist ein besonders formelles Recht. Werden Gegenstände aus dem Drittland in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt, muss aus zollrechtlicher Sicht zunächst geklärt werden, in welchem zollrechtlichen Verfahren sich die Gegenstände befinden.
Fahrzeuge, die
- zu einem bestimmten Zweck vorübergehend bzw. befristet im Zollgebiet der EU verwendet werden,
- während ihrer Verwendung nicht verändert werden sollen (abgesehen von der normalen Wertminderung durch den Gebrauch) und
- von vornherein zur Wiederausfuhr aus dem Zollgebiet bestimmt sind,
werden im Rahmen einer sogenannten vorübergehenden Verwendung in das europäische Zollgebiet eingeführt. Hierfür fallen in der Regel keine Einfuhrabgaben an.
Hierunter fallen beispielsweise
- Reparatur- und regelmäßige Wartungsarbeiten an den Fahrzeugen, die nur auf den Erhalt der Ware ausgerichtet sind,
- Arbeiten, die nach den Betriebsvorschriften für das betreffende Fahrzeug in regelmäßigen Abständen (z. B. nach bestimmten Kilometer- oder Betriebsstundenleistungen) empfohlen oder vorgeschrieben sind oder
- Arbeiten, durch die die weitere bestimmungsmäßige Benutzung des Fahrzeugs ermöglicht wird.
Werden Gegenstände (z.B. ein Fahrzeug) jedoch im Rahmen einer sogenannten aktiven Veredelung in das europäische Zollgebiet eingeführt, sind die zu beachtenden zollrechtlichen Formalitäten deutlich anspruchsvoller. Erfolgt hierbei ein Verstoß, fallen in der Regel Einfuhrabgaben an – und zwar auf den gesamten Wert des Gegenstands (Fahrzeugs)! Schuldner dieser Einfuhrabgaben ist zwar grundsätzlich der Fahrzeughalter. Die Werkstatt, welche die Arbeiten im Rahmen einer aktiven Veredelung ausführt, haftet jedoch für die Entrichtung der gesamten Einfuhrabgaben! Stellt daher eine deutsche Werkstatt fest, dass ein aktives Veredelungsverfahren trotz entsprechender Verpflichtung nicht beantragt wurde,sollte geprüft werden, inwieweit eine Art Selbstanzeige beim Zoll möglich ist. Denn erfährt der Zoll erst durch diese Art Selbstanzeige von dem Vorgang und wird nachgewiesen, dass die Werterhöhung des Fahrzeugs beim Drittlandszoll einer Besteuerung unterworfen wurde, kann ein Erlass der EU-Einfuhrabgaben in Frage kommen. Sollte der Zoll jedoch einen nicht ordnungsgemäß durchgeführten Veredelungsvorgangs aus anderen Gründen nachträglich erkennen, ist damit zu rechnen, dass die gesamten Einfuhrabgaben festgesetzt werden.
Der Zoll geht immer dann von einem aktiven Veredelungsverfahren aus, wenn aus der Bearbeitung des Fahrzeugs eine
- einhergehende dauerhafte Veränderung des Fahrzeugs, z.B. durch festen Einbau, (hierunter kann beispielsweise auch schon der Anbau einer Anhängerkupplung fallen),
- dauerhafte Leistungssteigerung oder
- beträchtliche Wertsteigerung des Fahrzeugs
resultiert. Zur leichteren Abgrenzung, wann bei Werkstattarbeiten an Fahrzeuge eine vorübergehende Verwendung und wann die Anmeldung eines aktiven Veredelungsverfahren notwendig ist, hat die Zollverwaltung untenstehende Orientierungshilfe veröffentlicht.
Unerheblich ist, ob bei einer Reparatur des Fahrzeuges der Schaden innerhalb oder außerhalb des Zollgebiets entstanden ist und ob es sich um eine geplante Reparatur oder eine Wartung handelt. Auf eine bereits im Zeitpunkt der Einfuhr bestehende Absicht, eine Reparatur durchführen zu lassen, kommt es ebenfalls nicht an. Auch ist der Wert der vorgenommenen Handlungen nicht isoliert zu betrachten. Fahrzeuge, die nicht auf eigener Achse fahrend in das Zollgebiet der Union ausschließlich zur Reparatur eingeführt werden, sind ebenfalls in die aktive Veredelung zu überführen.
Die Bewilligung der aktiven Veredelung durch den Zoll muss vor dem Beginn der Veredelungstätigkeiten, jedoch nicht zwingend im Zeitpunkt der Einfuhr in das Zollgebiet der EU, durch Gestellung des Fahrzeugs beim Zoll sowie eine Zollanmeldungbeantragt und erteilt werden. Erfolgt die Einfuhr als Beförderungsmittel, befindet sich das Fahrzeug zunächst in der vorübergehenden Verwendung – insoweit kann beispielsweise noch eine Fahrt bis zur Werkstätte einfuhrabgabenfrei im Rahmen der vorübergehenden Verwendung vorgenommen werden.
Für die Bewilligung eines aktiven Veredelungsverfahrens muss der Antragsteller grundsätzlich im Zollgebiet der Europäischen Union ansässig sein (z.B. deutsche Werkstatt). Bei Fahrzeugen kann der Antragsteller jedoch ausnahmsweise auch außerhalb der Europäischen Union ansässig sein (z.B. Schweizer Fahrzeughalter), wenn eine entsprechende Zollanmeldung erfolgt und der Antragsteller dies nur gelegentlich tut (weniger als 10-mal pro Jahr).
Zu beachten ist weiterhin, dass der Zoll bei der Durchführung eines aktiven Veredelungsvorgangs eine Sicherheitsleistung verlangen kann. Bei Schweizer Kunden ist sowohl eine Barsicherheit als auch eine Bürgschaft eines in der EU akkreditierten Kreditinstituts möglich. Weiterhin wird in der zollamtlichen Bewilligung des Verfahrens der aktiven Veredelung üblicherweise eine Frist festgesetzt, innerhalb der die Waren oder Erzeugnisse
- in ein anschließendes Zollverfahren übergeführt,
- zerstört oder
- aus dem Zollgebiet der Union verbracht
werden müssen. Diese Frist wird in der Bewilligung unter Berücksichtigung des erforderlichen Zeitaufwands für die Durchführung der Veredelungsvorgänge und für den Absatz der Veredelungserzeugnisse festgelegt.