DIE CORONA-SCHUTZIMPFUNG - WAS ARBEITGEBER WISSEN MÜSSEN
AUTOHAUS ARTIKEL VOM 25.05.2021
Das Coronavirus hält Deutschland und die Arbeitswelt seit über einem Jahr in Schach. Die Anforderungen an Arbeitgeber zur Organisation des Arbeitslebens sind hoch und mit erheblichem Aufwand in zeitlicher und finanzieller Hinsicht verbunden. Verständlich, dass Arbeitgeber große Hoffnungen in die Impfung gegen SARS-COVID 19 setzen.
Aus arbeitsrechtlicher Sicht stellen sich daher viele Fragen rund um die Impfung.
1. Kann ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter zu einer Impfung zwingen?
Die Impfung ist freiwillig. Eine Weisung des Arbeitgebers, die eine Impfpflicht für alle Beschäftigten vorsieht ist nichtig, da in unzulässigerweise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingegriffen würde. Dies gilt sogar in sensiblen Bereichen wie bei medizinischem Personal.
2. Darf der Arbeitgeber eine Impfpflicht durch Arbeitsvertrag begründen?
Nein, nach derzeitiger Gesetzeslage kann die Corona-Schutzimpfung auch nicht im Arbeitsvertrag verankert werden, da eine entsprechende Regelung den strengen Anforderungen der AGB-Kontrolle regelmäßig nicht Stand halten würde, da der Arbeitnehmer dadurch unangemessen benachteiligt würde.
Mangels gesetzlich angeordneter Impfpflicht würde eine solche Klausel die geschützten Grundrechtspositionen der Arbeitnehmer also in unangemessener Weise einschränken.
3. Ist eine Abmahnung/Kündigung bei Verweigerung der Impfung zulässig?
Grundsätzlich nein, wenn die Anordnung der Impfung durch den Arbeitgeber unzulässig ist, dann sind es auch arbeitsrechtliche Sanktionen bei Verweigerung der Impfung.
Eine Ausnahme gilt bei medizinischem Personal. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) gilt in medizinischen Bereichen, dass Arbeitgeber nicht geimpfte Arbeitnehmer für Tätigkeiten mit unmittelbarem Kontakt zu Bewohnern und Patienten nicht mehr vertragsgemäß beschäftigen können.
4. Darf ein Arbeitgeber nach dem Impfstatus fragen?
Der Arbeitgeber darf nur solche Informationen erfragen, an denen er ein legitimes Interesse hat.
Ein Fragerecht des Arbeitgebers wird überwiegend verneint, da das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz seiner sensiblen Gesundheitsdaten das arbeitgeberseitige Interesse überwiegt.
Ausnahmen gelten auch hier bei medizinischen Einrichtungen.
5. Darf ein Arbeitgeber eine Impfprämie ausloben?
Arbeitgeber können ihren Arbeitnehmern einen finanziellen Anreiz für die Durchführung der Schutzimpfung gegen das Coronavirus anbieten. Ein Impfbonus oder eine Impfprämie ist zulässig und stellt keine unzulässige Benachteiligung von Impfverweigerern dar.
6. Darf der Arbeitnehmer einen Termin zur Impfung während der Arbeitszeit wahrnehmen und hat er für diese Zeit bzw. Fehlzeit einen Anspruch auf Arbeitsentgelt?
Der Arbeitnehmer hat einen Termin für eine ärztliche Behandlung nach Möglichkeit so zu legen, dass sie außerhalb der regulären Arbeitszeit stattfindet.
Sollte das nicht möglich sein, kann der Arbeitnehmer diesen Termin auch während der Arbeitszeit wahrnehmen und behält grundsätzlich seinen Vergütungsanspruch nach § 616 BGB.
Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers entfällt hingegen, sofern § 616 BGB durch Arbeits- oder Tarifvertrag ausgeschlossen wurde.
7. Muss oder kann der Arbeitgeber eine Impfung anbieten?
Zunächst ist zu klären, ob eine Beschäftigtengruppe aufgrund ihrer Tätigkeiten in höherem Maße SARS-CoV-2-Erregern ausgesetzt sein könnte als die Allgemeinheit. Ist dies der Fall, z.B. medizinisches Personal, begründet dies einen Impfanspruch.
In allen anderen Fällen ist das Impfangebot des Arbeitgebers freiwillig.
8. Freiwillige Impfung im Betrieb
Gemäß § 6 Abs. 3 Coronavirus-Impfverordnung ist es grundsätzlich vorgesehen, dass Impfungen durch Betriebsärzte vor Ort in den Betrieben vorgenommen werden.
Dieses Vorgehen hat sich bei der Grippeschutzimpfung in vielen Betrieben bewährt. Arbeitgeber sollten sichergehen, dass ihnen im Falle eines Impfschadens keine haftungsrechtlichen Konsequenzen drohen. Voraussetzung dafür ist, dass der Behandlungsvertrag zwischen dem Betriebsarzt und den Mitarbeitern geschlossen wird und nicht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Im Hinblick auf eine Grippeschutzimpfung hat das Bundesarbeitsgericht bereits klargestellt, dass den Arbeitgeber dann grundsätzlich keine besondere Aufklärungspflicht trifft. Schon die Einladung zur Impfung sollte daher durch den Betriebsarzt erfolgen, nicht durch den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsarzt ordnungsgemäß auszuwählen, beispielsweise einen „Facharzt für Arbeitsmedizin“ bzw. Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“.
Eine innerbetriebliche Priorisierung des Impfangebots für unterschiedliche Mitarbeitergruppen bedarf einer sachlich begründeten Reihenfolge nach objektiven Maßstäben. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatzes ist hier zu beachten.
9.Was ist, wenn ein Arbeitnehmer an Corona erkrankt, obwohl er sich hätte impfen lassen können?
Wie jeder Beschäftigte, der aufgrund einer Erkrankung nicht in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, erhält auch derjenige, der an Corona erkrankt ist, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Es liegt kein schuldhaftes Verhalten eines Arbeitnehmers vor, dass einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfallen lassen könnte. Ein sogenanntes Eigenverschulden liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn sich jemand leichtfertig oder gar vorsätzlich dem Risiko ausgesetzt hat, arbeitsunfähig zu werden. Eine empfohlene Impfung nicht durchführen zu lassen, stellt kein schuldhaftes Verhalten dar.
10.Was passiert, wenn ein Arbeitnehmer in Quarantäne muss, obwohl er sich hätte impfen lassen können?
Wer ein amtliches Beschäftigungsverbot erhält und in Quarantäne geschickt wird, weil der begründete Verdacht besteht, dass er andere anstecken kann, hat grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Dieser Entschädigungsanspruch entfällt, wenn das Beschäftigungsverbot hätte vermieden werden können, z.B. durch eine Schutzimpfung oder andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe.
Für Arbeitnehmer bedeutet dies einen Lohnausfall für die Zeit der Quarantäne, sofern eine Beschäftigung im Homeoffice nicht möglich ist. Auch in diesem Punkt besteht aber noch viel rechtliche Unsicherheit.
11. Entfallen die Maskenpflicht und Hygienemaßnahmen bei Geimpften?
Solange nicht wissenschaftlich bewiesen ist, dass Geimpfte das Virus nicht weitergeben können, muss zum Schutz der Mitmenschen an der Maskenpflicht auch für geimpfte Personen festgehalten werden. Gleiches gilt generell für die Einhaltung von Hygiene- und Schutzkonzepten.
Karin Runge
Rechtsanwältin
Kurzfassung:
1. Das Thema Corona Impfung wird die Arbeitsgerichte sicherlich bald zu genüge beschäftigen.
2. Der Arbeitgeber kann seine Arbeitnehmer nicht zu einer Corona Impfung zwingen.
3.Auch eine Kündigung oder Abmahnung bei Verweigerung der Impfung ist grundsätzlich arbeitsrechtlich unzulässig.
Kommentar:
Aus arbeitsrechtlicher Sicht ergeben sich hinsichtlich der Impfung gegen das Coronavirus zahlreiche neue Fragestellungen, die derzeit nicht eindeutig zu beantworten sind. In der Folgezeit werden sich Arbeitsgerichte und schließlich die Bundesarbeitsgerichte noch häufig mit dem Thema beschäftigen und gegebenenfalls erst letztlich eine Klärung herbeiführen. Solange es keine staatlich angeordnete Impfplicht gibt, wird sich auch der Arbeitgeber mit Maßnahmen schwertun.
Maximilian Appelt
Rechtsanwalt | Steuerberater