DIE NEUE KLEINUNTERNEHMERREGELUNG AUS SICHT DER FINANZVERWALTUNG
RAW-AKTUELL 5/2025

Zum 1.1.2025 sind äußerst umfassende Änderungen hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerregelung in Kraft getreten (siehe auch RAW-Aktuell 12/2024). Die Finanzverwaltung hat nun in einem aktuellen Schreiben für ihre Beamten dargelegt, wie sie verschiedene Details zur Anwendung dieser neuen Regelung sieht und welche Folgewirkungen sich beispielsweise für die Pauschalbesteuerung der Landwirte oder die Anwendung der Ist-Besteuerung ergeben.
So hat beispielsweise eine gesetzestechnische Änderung deutliche Folgen. Wurde früher die Umsatzsteuer beim Kleinunternehmer einfach nur „nicht erhoben“, sind die Umsätze nunmehr „umsatzsteuerfrei“. Die Finanzverwaltung weist daher darauf hin, dass bisherige Kleinunternehmer ihre Rechnungsstellung hinsichtlich des bisher verwendeten Rechnungshinweises prüfen und gegebenenfalls aktualisieren sollten. Dabei kann der gemäß § 34a Satz1 Nr. 5 UStDV notwendige Rechnungshinweis auf die Kleinunternehmerregelung, auch umgangssprachlich zum Beispiel als „steuerfreier Kleinunternehmer“ o. ä. erfolgen, „wenn [die Formulierung] die Steuerfreiheit für Kleinunternehmer eindeutig bezeichnet.“ Dies gilt auch für Kleinbetragsrechnungen.
Deutlich restriktiver will die Finanzverwaltung zukünftig den Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung handhaben. So stellt sie beispielweise fest, dass ein vor dem 1.1.2025 erklärter Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung trotz Gesetzesänderung 5 Jahre ab dem Verzicht bindet.
Zu beachten sei weiterhin, dass ein einmal erklärter Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nicht nur für 5 Jahre bindend, sondern – im Gegensatz zur bisherigen Regelung – auch unwiderruflich ist. Gerade in Neugründungsfällen sollte man daher den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung mit Bedacht ausfüllen und auch bei der erstmaligen Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen an diesen Aspekt denken!
Nach Ablauf der 5 Jahre kann wie bisher jährlich entschieden werden, ob man auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet. Allerdings ist dies dann – ebenfalls im Gegensatz zur bisherigen Regelung – nicht mehr bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des jeweiligen Jahres, sondern nur noch zu Beginn eines folgenden Kalenderjahres, d.h. nicht mehr rückwirkend(!) möglich.
Gesonderte Übergangsregelungen gibt es hinsichtlich des Verzichts auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung für 2024.
Weiterhin stellt die Finanzverwaltung klar, dass für Kleinunternehmer keine Pflicht mehr zur Abgabe von Umsatzsteuer-Jahreserklärungen bzw. Umsatzsteuer-Voranmeldungen besteht, wenn kein Fall von innergemeinschaftlichem Erwerb, Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG, innergemeinschaftlichem Dreiecksgeschäft oder Fahrzeuglieferer vorliegt
Die Anwendung der Kleinunternehmerregelung ist weiterhin von – wenn auch geänderten – Grenzwerten abhängig. Hierzu führt die Finanzverwaltung aus, dass aus ihrer Sicht im Jahr der Gründung als Umsatzgrenze der Vorjahreswert entscheidend sein soll. Dies ist mangels gesetzlicher Regelung durchaus strittig.
Wenn ein Unternehmer ein anderes Unternehmen erbt, sind die Umsatz-Werte der bisher getrennten Unternehmen – im Gegensatz zu bisher – zwingend zusammenzurechnen. Insofern zeigt sich die Finanzverwaltung als weniger kulant.
Die Berechnung des Gesamtumsatzes für den Grenzwertvergleich erfolgt – wie bisher – nach vereinnahmten Entgelten. Zudem stellt die Finanzverwaltung klar, dass hierfür auch Anzahlungen im Zeitpunkt des Zahlungseingangs zu berücksichtigen sind
Aus der neuen gesetzlichen Regelung gibt es auch über den Kleinunternehmer hinaus Folgewirkungen für die Beantragung der Ist-Versteuerung in Gründungsfällen bzw. bei nur in Teilen des Jahres ausgeübter Tätigkeit. Hier ist für die Umsatzgrenze der Ist-Besteuerung weiterhin auf den voraussichtlichen Jahresumsatz abzustellen. Dieser Jahresumsatz ist jedoch nicht mehr anteilig auf einen Gesamtjahresumsatz umzurechnen.
Gleiches gilt bei der Berechnung des Jahresumsatzes für die Anwendung der Pauschalsteuersätze in der Landwirtschaft.
Deutsche Unternehmer, die die Kleinunternehmerregelung im EU-Ausland in Anspruch nehmen wollen, dürfen noch nicht in einem der anderen EU-Länder für die dortige Kleinunternehmerregelung registriert sein. Gleiches gilt für die Nutzung des Import OSS. Eine ausländische UStIDNr, eine ausländische Registrierung für das Regelverfahren (also auch umsatzsteuerpflichtige Umsätze) sowie die Erklärung ausländischer Umsätze über das OSS-Verfahren sind dagegen kein Hindernis für die Kleinunternehmerregelung im EU-Ausland. Für Zweifelsfragen stellt die EU-Kommission die Kontaktdaten der ausländischen Finanzverwaltungen zur Verfügung: https://sme-vat-rules.ec.europa.eu/contact-country_en?prefLang=de.
Ob die Anwendung der Kleinunternehmerregelung im EU-Ausland möglich ist, weil die jeweiligen Schwellenwerte nicht überschritten werden, kann beispielsweise über diesen Online-Schwellenwert-Rechnerhttps://sme-vat-rules.ec.europa.eu/simulator_en?prefLang=de geprüft werden.
Weiterhin erhalten die Kleinunternehmer nunmehr sogenannte Kleinunternehmernummern (beginnend mit „EX“). Die Gültigkeit dieser Nummern kann auf diesem Portalhttps://ec.europa.eu/taxation_customs/sme-verification/#/sme-verificationüberprüft werden.
Zusätzlich ist bei Anwendung der Kleinunternehmerregelung im EU-Ausland eine besondere Kleinunternehmer-Meldung abzugeben. Dort sind für jeden Mitgliedstaat (einschließlich Deutschland) jedes Quartal Angaben zu den dort erzielten Umsätzen machen (ggfls. Nullmeldung für die Länder ohne Umsatz). Die Abgabefrist der besonderen Kleinunternehmer-Meldung ist 1 Monat nach Ablauf des Quartals.
Bei Überschreiten der Kleinunternehmer-Umsatzgrenze im EU-Ausland von 100.000 EUR ist eine Umsatzmeldung bis einschließlich des Überschreitungsumsatzes binnen 15 Werktagen beim Bundeszentralamt für Steuern abzugeben. Dies muss vom Unternehmer selbst überwacht werden und kann – gerade, wenn die Buchhaltung durch die Steuerberatungskanzlei erfolgt – herausfordernd sein!
Beispiel 1:
Die Umsatzgrenze wird am 3. April überschritten. Damit ist das Ende der Meldefrist am 28. April – was zu Problemen führen kann, wenn der Monatsabschluss noch nicht gemacht wurde oder die Buchhaltungsunterlagen dem Steuerberater noch nicht übergeben wurden.
Beispiel 2:
Die Umsatzgrenze wird am 25. April überschritten. Damit ist das Ende der Meldefrist am 19. Mai. – was zu Problemen führen kann, wenn wegen Dauerfristverlängerung die Unterlagen erst am 19. bzw. 20. Mai dem Steuerberater zur Verfügung gestellt werden.
Zusätzlich stellt die Finanzverwaltung klar, dass im Inland auch dann kein Vorsteuerabzug möglich ist, wenn Umsätze im Ausland ausgeführt werden und diese dort umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig sind. Sie leitet dies aus § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG ab, da die Umsätze steuerfrei wären, wenn die Umsätze im Inland ausgeführt worden wären. Ob das so richtig ist, ist in der Fachliteratur zum Teil umstritten.
Unternehmer aus dem EU-Ausland, die die deutsche Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen wollen, müssen für die Berechnung des „Gesamtumsatzes“ die Umsätze aus allen Mitgliedstaaten zusammenrechnen – unabhängig davon, ob der Unternehmer in dem jeweiligen Land der Kleinunternehmerregelung unterliegt oder nicht.
Wenn Unternehmer aus dem EU-Ausland z. B. für im Inland ausgeführte sonstige Leistungen die deutsche Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen, dann kommt es insoweit nicht zu einem Reverse Charge-Fall des § 13b UStG (da die Leistung umsatzsteuerfrei ist). Deshalb sind Eingangsrechnungen von ausländischen Lieferanten und Dienstleistern nunmehr noch genauer zu prüfen.
Das Schreiben des Bundesfinanzministeriums beinhaltet weiterhin auch den Hinweis, dass durch einen Wechsel von nicht erhobener Umsatzsteuer zu Steuerbefreiung, etwaig falsch ausgewiesene Umsatzsteuer nunmehr nach § 14c Abs. 1 UStG („unrichtiger Steuerausweis“) und nicht mehr nach § 14c Abs. 2 UStG („unberechtigter Steuerausweis“) geschuldet wird. Dies hat anderen Berichtigungsprozess zur Folge.