UMSATZ- UND VERSICHERUNGSTEUERLICHE NEUERUNGEN BEI (KFZ-)GARANTIEN
RAW-AKTUELL 5/2021
Das Bundesfinanzministerium hat mit einem aktuellen Schreiben zur umsatzsteuerlichen und versicherungsteuerlichen Behandlung von Kfz-Garantien Stellung genommen. Dabei legt die Finanzverwaltung im Vergleich zur bisherigen Handhabung eine völlig geänderte Rechtsauffassung zu Grunde, welche trotz verlängerter Übergangsfrist umfassende Auswirkungen auf den Kfz-Handel haben wird. Darüber hinaus hat die Finanzverwaltung zwischenzeitlich in einem zweiten Schreiben klargestellt, dass diese Aussagen auch auf sämtliche anderen Garantiezusagen in anderen Branchen übertragbar sind.
Bislang existieren in der Praxis verschiedene Modelle bei der Vergabe von Kfz-Garantien.
- Zum einen werden durch die Händler Garantieversicherungen vermittelt. Hier führt die Versicherungsgesellschaft einen umsatzsteuerfreien Versicherungsumsatz an den Garantie- = Versicherungsnehmer aus. Der Händler erhält hier eine umsatzsteuerfreie Vermittlungsprovision.
- Zum anderen ist es möglich, dass der Händler zu Gunsten des Kunden eine Versicherung abschließt. Obwohl der Händler Versicherungsnehmer ist, erhält der Kunde aus dem Vertrag einen Reparaturkostenerstattungsanspruch ausschließlich gegenüber dem Versicherungsunternehmen. Ein Anspruch gegenüber dem Händler besteht wie im ersten Fall nicht.
- Weiterhin vergeben manche Händler eine reine Eigengarantie, bei denen sie die Funktionstüchtigkeit (von bestimmten Baugruppen) des betroffenen Fahrzeugs und im Schadensfall die Behebung des Schadens garantieren. Das Entgelt für die Gewährung der Eigengarantie wurde bislang in der Regel als umsatzsteuerpflichtig angesehen. Aus den Eingangsleistungen wurde die Vorsteuer geltend gemacht.
- Am weitesten in der Praxis verbreitet ist das sogenannte Kombinationsmodell. Hier erhält der Garantienehmer üblicherweise vom Händler eine Garantie(verlängerung), welche durch eine Versicherung rückversichert ist. Der Garantienehmer hat dabei das Wahlrecht, entweder vom Händler die Schadensbeseitigung oder von der Versicherung eine Kostenerstattung zu verlangen. Die Versicherung hat hierbei einen umsatzsteuerfreien Umsatz gegenüber dem Händler. Das Entgelt, welches der Händler vom Kunden erhält, wird auf Basis eines Urteils des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 2010 umsatzsteuerpflichtig behandelt. Daher hat der Händler aus seinen Aufwendungen zur Erfüllung seiner Verpflichtungen auch einen Vorsteueranspruch.
- Auf Grund eines Urteils des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 2018 liegt darüber hinaus ein umsatzsteuerfreier Versicherungsumsatz des Kfz-Händlers vor, wenn er eine Eigengarantie vergibt, die im Schadensfall lediglich einen Kostenerstattungsanspruch verspricht. Folgerichtig hat der Händler aus den damit in Verbindung stehenden Aufwendungen keinen Vorsteueranspruch.
Auf Basis des zuletzt genannten BFH-Urteils aus dem Jahre 2018 hat sich nun die Finanzverwaltung mit dem Thema der Kfz-Garantien auseinandergesetzt. Dabei hat sie zunächst die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs übernommen, dass entgeltliche Garantiezusagen umsatzsteuerlich stets ein eigener Umsatz sind. Damit dürfte auch endgültig klar sein, dass bei Fahrzeugverkäufen mit entgeltlicher Garantiezusage die Erlöse zumindest getrennt gebucht und auch getrennt steuerlich gewürdigt werden müssen.
Darüber hinaus ist die Finanzverwaltung zu dem Schluss gekommen, dass die Garantiegewährung – und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Kostenerstattung, um eine Sacheinstandspflicht oder auch eine Kombination dieser Varianten handelt – stets eine umsatzsteuerfreie Versicherungsleistung ist. Insbesondere hält die Finanzverwaltung das BFH-Urteil zur Umsatzsteuerpflicht des Kombinationsmodells für überholt.
Lediglich Garantien im Zusammenhang mit sogenannten Vollwartungsverträgen sollen auch weiterhin umsatzsteuerpflichtig sein.
Dies hat für die Händler gravierende Auswirkungen. Da entgeltliche Garantiezusagen nunmehr als umsatzsteuerfreie Versicherungsumsätze gelten sollen, besteht auch kein Vorsteuerabzugsrecht mehr für Aufwendungen zur Erfüllung der eigenen Garantieverpflichtungen. Dies betrifft insbesondere die Ersatzteile, welche für Reparaturen im Rahmen von Garantiearbeiten für zukünftig abgeschlossene Garantien anfallen. Um Unklarheiten im Rahmen von Betriebsprüfungen zu vermeiden, sind daher diese Aufwendungen separat buchhalterisch zu erfassen. Dies umfasst insbesondere auch die Unterscheidung, ob die Garantieleistung einen ursprünglich umsatzsteuerpflichtigen oder einen umsatzsteuerfreien Garantievertrag betrifft. Für Aufwendungen für Reparaturen zur Erfüllung fremder Garantieverpflichtungen (z. B. anderer Händler) bleibt der Vorsteuerabzug bestehen.
Durch den höheren Anteil umsatzsteuerfreier Umsätze dürfte sich zudem der Anteil an nicht abzugsfähiger Vorsteuer aus den Gemeinkosten erhöhen.
Die Finanzverwaltung wollte zunächst nur eine Übergangsfrist für bis zum 30.6.2021 abgegebene Garantiezusagen gewähren. Dies bedeutete nicht nur eine sehr kurze Übergangsfrist, sondern auch eine unterschiedliche unterjährige steuerliche Behandlung. Nach verschiedenen Einwendungen aus der Praxis hat die Finanzverwaltung daher eine verlängerte Übergangsfrist bis zum 31.12.2021 gewährt. Das heißt, die neue Rechtsauffassung soll spätestens ab dem 1.1.2022 beachtet werden.
Wichtig:
Ab dem 1.1.2022 darf somit für umsatzsteuerfreie Leistungen keine Umsatzsteuer mehr in Rechnungen offen ausgewiesen werden. Wird sie dennoch in Rechnungen ausgewiesen, wird sie – gegebenenfalls zusätzlich zur anfallenden Versicherungsteuer – dem Fiskus geschuldet.
Darüber hinaus hat das BMF-Schreiben auch verschiedene Aussagen zur Versicherungsteuerpflicht getroffen. Infolgedessenmüssen vermutlich viele Kfz-Händler zukünftig Versicherungssteuer an den Fiskus melden und entrichten!
Danach unterliegen Garantien der Händler, bei denen der Kunde ausschließlich einen Reparaturanspruch gegen den Kfz-Händler als Garantiegeber hat, als umsatzsteuerfreie Versicherungsleistung der Versicherungsteuer. Gleiches giltfür Garantien der Händler, bei denen der Kunde ausschließlich einen Reparaturkostenersatzanspruch gegen den Kfz-Händler als Garantiegeber hat. Sofern der Händler sein Risiko selbst bei einem Versicherer versichert hat, ist diese als Rückversicherung versicherungsteuerfrei.
Hinsichtlich des bislang weit verbreiteten Kombinationsmodells, bei denen der Kunde die Wahl zwischen einem Reparaturanspruch gegen den Kfz-Händler sowie einem Reparaturkostenersatzanspruch gegen die Versicherung hat, geht die Finanzverwaltung nunmehr von zwei selbständigen Versicherungsumsätzen aus, von denen zumindest auch die Leistung des Händlers an den Endkunden der Versicherungsteuer unterliegt.
Besonders kompliziert wird es, wenn ein Händler hinsichtlich des Reparaturkostenersatzes einen Versicherungsvertrag auf fremde Rechnung zu Gunsten des Käufers abgeschlossen hat, aus dem der Kunde als versicherte Person im Garantiefall Ansprüche gegenüber dem Versicherer hat und der Händler vom Kunden einen höheren Preis (Verkaufsaufschlag) verlangt, als er selbst dem Versicherungsunternehmen zahlen muss. Hier kommt es darauf an, ob der Händler dem Kunden seinen Aufpreis offenlegt oder nicht.
Legt er dem Kunden gegenüber den Aufpreis offen, erbringt der Händler nach Auffassung der Finanzverwaltung eine Dienstleistung „Verschaffung von Versicherungsschutz“, für die er den Aufpreis als separates Entgelt erhält. Dieses Entgelt unterliegt nicht der Versicherungsteuer.
Legt der Händler den Aufpreis gegenüber dem Kunden nicht offen, ist er verpflichtet, den Aufpreis dem Versicherer mitzuteilen. Denn der Verkaufsaufschlag gehört in diesem Fall zum versicherungsteuerpflichtigen Entgelt des Versicherers. Der Händler haftet hierbei für die aus dem Vorgang entstandene Versicherungsteuer. Zusätzlich erbringt der Händler eine umsatzsteuerfreie Versicherungsvermittlungsleistung, für welche er vom Versicherer den Verkaufsaufschlag als Provision erhält, sodass insoweit eine Aufrechnung möglich ist.
Sollte es dazu kommen, dass der Händler eine versicherungsteuerpflichtige Leistung erbringt, sind 19% Versicherungsteuer offen ausgewiesen in Rechnung zu stellen. Zusätzlich ist die vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Versicherungsteuernummer, zu der die Steuer abgeführt wird, anzugeben.
Die Versicherungsteuer muss vom Händler innerhalb von 15 Tagen nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums beim Bundeszentralamt für Steuern elektronisch gemeldet und gezahlt werden. Voranmeldungszeitraum ist der Kalendermonat. Betrug die Versicherungsteuer im Vorjahr weniger als EUR 6.000,- (EUR 1.000,-), ist das Kalendervierteljahr (Kalenderjahr) der Voranmeldungszeitraum.
Die Anmeldungen sind auch abzugeben, wenn im Anmeldungszeitraum keine Versicherungs-entgelte vereinnahmt/angefordert worden sind (sogenannte Null-Meldungen). Das Bundeszentralamt für Steuern kann auf Antrag gestatten, dass die Steuer nicht nach der Ist-Einnahme, sondern nach dem im Anmeldungszeitraum angeforderten Versicherungsentgelt (Solleinnahme) berechnet wird.
Weiterhin sind folgende Aufzeichnungen zu führen:
- der Name und die Anschrift des Versicherungsnehmers,
- die Nummer des Versicherungsscheins; bei Bevollmächtigten diejenige des jeweiligen Versicherers,
- die Versicherungssumme,
- das Versicherungsentgelt, und zwar sowohl das steuerpflichtige als auch das steuerfreie sowie das zurückgezahlte und nicht erhaltene Versicherungsentgelt,
- der Steuerbetrag,
- der Steuersatz.
Diese Aufzeichnungen unterliegen der üblichen steuerlichen Aufbewahrungsfrist.
Unklar sind bislang noch diverse Fragen, z. B. wie es sich mit Garantien für Fahrzeuge verhält, welche nicht in Deutschland, sondern im (EU-)Ausland zugelassen werden. Hier steht zu befürchten, dass bei analoger Rechtsanwendung Versicherungsteuerpflicht im Ausland entsteht. Daher empfehlen wir, aus Vorsichtsgesichtsgründen in solchen Fällen zukünftig zunächst keine Garantieleistungen mehr zu vereinbaren – zumindest bis klar ist, inwieweit diese Rechtsauffassung EU-weit abgestimmt ist. Ebenso unklar ist weiterhin noch die Frage einer potentiellen versicherungsrechtlichen Aufsichtspflicht.