Neuerungen im Steuerrecht durch das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV)
RAW-Aktuell 11/2024
Das am 29.10.2024 im Bundesgesetzblatt (BGBl. 2024 I Nr. 323) veröffentlichte Vierte Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (Viertes Bürokratieentlastungsgesetz; BEG IV) sieht Änderungen in den Bereichen Abgabenordnung, Umsatzsteuern, Investmentsteuern, Einkommenssteuern, im Grundsteuer- und Bewertungsgesetz sowie im Steuerberatungsgesetz vor.
Änderungen der Abgabenordnung (AO)
- § 53 Nr. 3 AO: Unterstützung von Personen in Notlagen
Mit § 53 Nr. 3 AO wird ein eigener Tatbestand für die Verfolgung von mildtätigen Zwecken durch eine Körperschaft geschaffen, um Personen zu unterstützen, die aus besonderen Gründen wie beispielsweise Katastrophen in eine wirtschaftliche Notlage geraten sind. Die besonderen Gründe werden dabei vom Bundesfinanzministerium durch Erlass oder von einer der obersten Finanzbehörden Länder definiert.
- § 90 Abs. 3 und 4 AO: Aufzeichnungspflichten bei Verrechnungspreisen
Durch § 90 Abs. 3 und 4 AO werden die Aufzeichnungspflichten bei den Verrechnungspreisen ab mit Wirkung zum 01. Januar 2025 neu strukturiert.
Die numerisch untergliederten Aufzeichnungspflichten umfassen künftig neben der Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation auch eine Transaktionsmatrix, die in der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV) spezifiziert werden soll.
Diese Transaktionsmatrix sieht folgende Angaben vor:
1. Gegenstand und Art der Geschäftsvorfälle,
2. die an den Geschäftsfällen Beteiligten unter Kennzeichnung der Leistungsempfänger und Leistungserbringer,
3. Volumen und Entgelt der Geschäftsvorfälle,
4. vertragliche Grundlage,
5. angewandte Verrechnungspreismethode,
6. betroffenes Steuerhoheitsgebiet und
7. ob der Geschäftsvorfall nicht der Regelbesteuerung des Steuerhoheitsgebiets unterliegt.
In § 90 Abs. 4 Satz 3 AO ist vorgesehen, dass künftig innerhalb der Frist von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung automatisch – d.h. ohne gesondertes Verlangen – nicht mehr alle (Verrechnungspreis-)Aufzeichnungen, sondern nur noch die Transaktionsmatrix, die Stammdokumentation sowie die Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle vorzulegen sind. Die Finanzbehörde kann jedoch im Rahmen der Außenprüfung jederzeit die Vorlage weiterer Aufzeichnungen, z.B. Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation verlangen.
Die Nichtvorlage einer Transaktionsmatrix im Rahmen von Außenprüfungen wird nach § 162 Abs. 4 S. 1 AO künftig grundsätzlich mit einem Zuschlag i. H. v. 5.000 EUR sanktioniert.
- § 122a AO: Elektronische Bekanntgabe von Verwaltungsakten
Verwaltungsakte können dem jeweiligen Adressaten oder der von ihm bevollmächtigten Person bekannt gegeben werden, indem sie nach Maßgabe des § 87a Abs. 8 AO zum Abruf bereitgestellt werden, insbesondere wenn ein Steuerbescheid, Steuermessbescheid oder Feststellungsbescheid auf einer nach § 87a Abs. 6 elektronisch übermittelten Steuererklärung oder Feststellungserklärung beruht und sie vom Beteiligten selbst über ein von der Finanzverwaltung bereitgestelltes Nutzerkonto übermittelt wurde oder durch eine vom Beteiligten bevollmächtigte Person (z. B. Steuerberater), der gegenüber der Bescheid nach § 122 Abs. 1 Satz 4 AO bekanntzugeben ist.
Am Tag der Bereitstellung wird der Empfänger elektronisch über die Abrufmöglichkeit und ihre Rechtswirkungen benachrichtigt. Digital übermittelte Verwaltungsakte gelten am vierten Tag der Bereitstellung zum Abruf als bekannt gegeben. Dies entspricht der neuen, nach dem Postrechtsmodernisierungsgesetz verlängerten Zugangsvermutung.
Eine postalische Bekanntgabe erfolgt nur noch bei Widerspruch des Steuerpflichtigen zur digitalen Bereitstellung (§ 122a Abs. 2 AO), der bisherige Einwilligungsvorbehalt wurde aufgegeben.
- § 147 Abs. 3 AO; § 257 Abs. 4 HGB: Verkürzung der Aufbewahrungsfristen
Die Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege wird im Steuer- und Handelsrecht wird von 10 auf acht Jahre verkürzt. Die Erleichterung gilt für alle Unterlagen, deren Aufbewahrungsfrist am Tag nach der Verkündung des BEG IV noch nicht abgelaufen ist.
Aufgrund der laufenden Cum-Ex-Ermittlungsverfahren gilt für die Unterlagen von Gesellschaften und Personen, die der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen unterliegen die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen erst mit einer Verzögerung von einem Jahr.
Änderungen Im Einkommensteuergesetz (EStG)
- § 43 Abs. 2 S. 7, 8 EStG, § 45a Abs. 5 EStG und § 45d Abs. 3 EStG werden aufgehoben
Die Mitteilungspflicht von freigestellten Kapitalerträgen nach § 43 Abs. 2 S. 7 und 8 EStG betreffend Veräußerungsgewinne, Erträge aus Termingeschäften und Stillhaltegeschäften wird ab 01.01.2025 aufgehoben. Gleiches gilt für die Regelung zur Ausstellung einer Ersatzbescheinigung der Kapitalertragsteuer gem. § 45a Abs. 5 EStG sowie für die Mitteilungspflicht für ausländische Versicherungsverträge nach § 45d Abs. 3 EStG.
- § 50c Abs. 2 EStG: Verlängerung der Geltungsdauer der Freistellungsbescheinigung
Die Geltungshöchstdauer einer Freistellungsbescheinigung bei der Kapitalertragsteuer und der Steuer beim Steuerabzug bei beschränkt Steuerpflichtigen gem. § 50a EStG wird von drei auf fünf Jahre verlängert.
Änderungen im Grundsteuer- und Bewertungsgesetz (GrStG/ BewG)
Aufgrund der Digitalisierung sind alle Grundsteueranzeige für die Festsetzung der Steuermessbeträge nur noch nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz (§ 87b Abs.1 AO) an die Finanzbehörden zu übermitteln.
- § 19 Abs. 1,2 GrStG: Änderungsanzeige
Grundsteuer-Änderungsanzeigen nach § 19 Abs. 1 u. 2 GrStG in der Nutzung oder bei Eigentumsverhältnissen von ganz oder teilweise von der Grundsteuer befreiten Steuergegenständen sollen zukünftig ebenfalls nur noch digital (§ 87b Abs.1 AO) erfolgen.
- § 228 Abs. 2 BewG:
Die Anzeige nach § 228 Abs. 2 BewG über die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die sich auf die Höhe des Grundsteuerwerts, die Vermögensart oder die Grundstücksart auswirken oder zu einer erstmaligen Feststellung führen können, soll für alle Änderungen in einem Kalenderjahr nur noch zusammengefasst digital bis zum 31.03. des Jahres nach dem Kalenderjahr in dem die Änderung stattfand, erfolgen.
Die Frist zur Abgabe entsprechender Änderungsanzeigen wird nunmehr einheitlich nach GrStG und BewG bis zum 31. März des auf das Jahr der Änderung folgenden Kalenderjahres verlängert (§ 19 Abs. 3 S. 2 GrStG, § 228 Abs. 2 S. 3 BewG). Damit soll die Frist zur Abgabe der Grundsteuer-Änderungsanzeigen mit der Frist zur Abgabe eines Erlassantrags zur Grundsteuer (§ 35 Abs. 2 S. 2 GrStG) übereinstimmen.
Änderungen im Umsatzsteuergesetz (UStG)
- § 14b Abs.1 S. 1 UStG: Verkürzte Aufbewahrungsfristen für Rechnungen
Analog zur Verkürzung der Aufbewahrungsfrist im Handels- und Steuerrecht von zehn auf acht Jahre wird auch die Pflicht des Unternehmers zur Aufbewahrung von Ausgangs- und Eingangsrechnungen nach § 14b Abs. 1 S. 1 UStG auf acht Jahre verkürzt.
- § 18 Abs. 2 und Abs. 2a UStG: Anhebung der Schwellenwerte auf 9.000 EUR
Ab 01.01.2025 erfolgt eine Anhebung der Schwellenwerte für vierteljährliche Anmeldungen in § 18 Abs. 2, 2a UStG von 7.500 € auf 9.000 € Umsatz im Kalenderjahr.
- § 25a Abs. 4 UStG: Anhebung der Bagatellgrenze bei Differenzbesteuerung auf 750 EUR
Zudem wird ab 01.01.2025 die Bagatellgrenze bei der Differenzbesteuerung in § 25a Abs. 4 UStG von 500 € auf 750 € angehoben.
Änderungen im Investmentsteuergesetz (InvStG)
- § 51 Abs. 2 S. 1 InvStG: Verlängerung der Abgabefristen für Feststellungserklärungen
Die Abgabefrist für die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für thesaurierende und ausschüttende Spezial-Investmentfonds verlängert sich von 4 auf 8 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres, erstmals für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2024 beginnen. Somit gilt die längere Frist einheitlich sowohl für thesaurierende als auch ausschüttende Spezial-Investmentfonds.
- § 51 Abs. 2 S. 2 InvStG: Verspätungszuschlag Feststellungserklärung
Die Höhe des Verspätungszuschlags nach § 152 AO für die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlage wird für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung auf 0,0625 Prozent der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge festgelegt. Diese Neuerung gilt für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2024 beginnen.
- § 51 Abs. 3 InvStG: Erklärungspflicht für Spezial-Investmentfonds
Für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2024 beginnen sind Spezial-Investmentfonds selbst zur Abgabe der Feststellungserklärung verpflichtet (§ 51 Abs. 3 Nr. 1, 2 InvStG).
• § 51 Abs. 5 InvStG: Empfangsbevollmächtigung
Alle Verwaltungsakte und Mitteilungen, die mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung zusammenhängen, sind dem gesetzlichen Vertreter des Spezial-Investmentfonds in Vertretung der Feststellungsbeteiligten bekannt gegeben werden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Bekanntgabe mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten erfolgt.
Zusätzlich wird in bestimmten Fällen eine Widerspruchsmöglichkeit für den Anleger gegen die Bekanntgabe an den gesetzlichen Vertreter des Spezial-Investmentfonds eingeführt. (§ 51 Abs. 5 S. 3-6 InvStG).
Der Widerspruch wird der Finanzbehörde gegenüber mit dem Zugang wirksam, § 51 Abs. 5 S. 5 InvStG. Der Inhalt der Einzelbekanntgabe richtet sich nach § 51 Abs. 5 S. 6 InvStG i. V. m. § 183 Abs. 3 AO.
Grundsätzlich ist der gesetzliche Vertreter des Spezial-Investmentfonds zur Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Verwaltungsakte befugt, die nach dem InvStG und der AO mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung zusammenhängen. Anleger haben nur in Ausnahmefällen eine Einspruchs- und Klagebefugnis (§ 51 Abs. 5 S. 7 InvStG i. V. m. § 352 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AO bzw. § 48 Abs. 1 Nr. 4 und 5 FGO).
Die Neuregelung findet ab dem Tag des Inkrafttretens Anwendung (Art. 30 BEV IV, § 57 Abs. 9 S. 1 InvStG n.F.).
Änderungen im Steuerberatungsgesetz (StBerG)
- § 3a Abs. 4 StBerG: Meldung bei vorübergehender und gelegentlicher Hilfeleistung in Steuersachen
Eine Meldung gemäß § 3a Abs. 2 S. 1 StBerG bei vorübergehender und gelegentlicher Hilfeleistung in Steuersachen kann ab 2025 statt in Schriftform auch elektronisch erfolgen.
- §§ 64 Abs. 2, 67a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StBerG: Ersatz der Schriftform durch die Textform
Für die ausdrückliche Einwilligung des Mandanten bei der Abtretung oder Übertragung von Gebührenforderungen (§ 64 Abs. 2 S. 2 StBerG) sowie bei der vertraglichen Begrenzung von Ersatzansprüchen in Einzelfällen (§ 67a StBerG) ist ab 01.01.2025 die Textform ausreichend.
- §§ 85a Abs. 2, 86c Abs. 4 StBerG: Schaffung einer zentralen Vollmachtsdatenbank
Es wird eine zentrale Vollmachtsdatenbank eingeführt, die es Arbeitgebern ab dem 1. Januar 2028 ermöglicht, Steuerberatern nicht mehr verschiedentliche schriftliche Vollmachten für die jeweiligen Sozialversicherungsträger ausstellen zu müssen, sondern nur eine Generalvollmacht, die in der Vollmachtsdatenbank elektronisch hinterlegt wird und abgerufen werden kann (§ 85a Abs. 2 Nr. 12, 13 StBerG, § 105a SGB IV). Diese zunächst optionale Möglichkeit soll ab 2030 obligatorisch werden.
FAZIT:
Das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz bringt die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen voran. Die Anhebung der Schwellenwert für die quartalsweise Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung hilft kleineren Unternehmen den bürokratischen Aufwand zu reduzieren. Die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen von 10 auf 8 Jahre ist kritisch. Zwar könnte sie für Unternehmen mit umfangreichen Papierakten eine Entlastung bedeuten, doch Unternehmen, die bereits digital arbeiten, bringen diese Verkürzungen kaum Erleichterungen. Die strafrechtlichen Verjährungsvorschriften bleiben bei 10 Jahren, so dass eine (vorzeitige) Vernichtung von Unterlagen nach 8 Jahren das Risiko mit sich bringt, im Falle eines Strafprozesses in Beweisnot zu geraten. Unternehmer daher bei der Vernichtung von Belegen nach acht Jahren achtsam seine Vor- und Nachteile genau abwägen.