GARANTIERT KOMPLIZIERT
GW-TRENDS VOM 21.01.2020
Zur Förderung des Absatzes vergeben viele Händler gesonderte Garantien beim Fahrzeugverkauf, teilweise jedoch auch davon losgelöst wie dies beispielsweise bei Anschlussgarantien der Fall sein kann. In der Praxis lassen sich hier die unterschiedlichsten Varianten beobachten. Angefangen bei der reinen Eigengarantie über Modelle mit Absicherung bis hin zur kompletten Auslagerung des Risikos lässt sich im Automobilhandel alles finden. Auf Grund dieser vielfältigen Varianten ergibt sich auch bei der steuerlichen Beurteilung der Gebrauchtwagen-Garantien ein sehr heterogenes Bild. Insbesondere bei der umsatzsteuerlichen Würdigung ist eine sehr differenzierte Betrachtung notwendig.
Varianten der Gebrauchtwagen-Garantien
Als Fallgestaltungen kommen bei der Gebrauchtwagengarantie die folgenden Möglichkeiten in Betracht:
- Reine Versicherungsvermittlung – hier vergibt der Händler keine eigene Garantie, sondern vermittelt dem Kunden letztendlich lediglich Versicherungsschutz bezüglich der Funktionstüchtigkeit von Bauteilen. Alternativ schließt der Händler einen Versicherungsvertrag im eigenen Namen zu Gunsten eines Dritten (des Kunden) ab.
- Kombinationsmodell – hierbei erteilt der Händler dem Kunden gegen Entgelt eine Garantie für die Funktionstüchtigkeit des Fahrzeugs bzw. bestimmter Bestandteile und geht dabei zur Absicherung des eigenen wirtschaftlichen Risikos eine Rückabsicherung, z. B. bei einer Versicherung, ein. Besonderes Kennzeichen des Kombinationsmodells ist hierbei, dass gemäß der Vertragsbedingungen der Kunde sowohl den Händler auf Reparatur als auch die Versicherung auf Kostenerstattung in Anspruch nehmen kann.
- Reine Eigengarantie – hierbei erteilt der Händler dem Kunden gegen Entgelt eine Garantie für die Funktionstüchtigkeit des Fahrzeugs bzw. bestimmter Bestandteile. Im Schadensfall kann der Händler verpflichtet sein, die defekten Bestandteile zu reparieren bzw. dem Kunden die durch die Reparatur entstandenen Kosten zu erstatten, wobei hier Eigenbeteiligungen und/oder Höchstbetragsregelungen nicht unüblich sind.
Umsatzsteuerliche Einordnung
Regelmäßig besteht im Rahmen der Gewährung einer Garantie gegen Entgelt die Frage, ob die Garantieeinräumung an sich umsatzsteuerlich separat zu beurteilen ist oder ob diese nicht vielmehr eine unselbständige Nebenleistung zur Hauptleistung „Fahrzeuglieferung“ ist?
Auf Grund der in den letzten Jahren ergangenen Finanzrechtsprechung zu diesem Thema muss diese Frage wohl dahingehend beantwortet werden, dass regelmäßig eine eigenständige Leistung vorliegt, die auch eigenständig zu beurteilen ist. Dies hat konsequenterweise zur Folge, dass der Garantieerlös auch separat buchhalterisch erfasst werden muss. Andernfalls kann es gerade bei differenzbesteuerten Fahrzeugen leicht zu einer falschen Berechnung der Umsatzsteuer aus dem Fahrzeugverkauf führen.
Bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung der oben dargestellten Fallgruppierungen ergibt sich somit folgendes Bild:
1. Bei der reinen Versicherungsvermittlung erhält der Händler bei Vertragsabschluss vom Versicherungsunternehmen eine Vermittlungsprämie. Diese ist umsatzsteuerfrei, sodass aus den direkten Eingangsleistungen sowie anteilig aus den Gemeinkosten keine Vorsteuer geltend gemacht werden darf. Führt der Händler im Schadensfall eine Reparatur aus, so erbringt er dann in jedem Fall eine umsatzsteuerpflichtige Leistung. Der Vorsteuerabzug aus dem Bezug der für die Reparatur benötigten Teile ist möglich.
2. Hinsichtlich des sogenannten Kombinationsmodells, welches in der Praxis am häufigsten anzutreffen ist, hatte der Bundesfinanzhof vor einigen Jahren nach einigem hin und her entschieden, dass der Verkauf der Garantie ein umsatzsteuerpflichtiger Vorgang ist. Sofern der Händler im Schadensfall eine Reparatur selbst durchführt, liegt dann ein nicht umsatzsteuerbarer Schadenersatz vor. Der Vorsteuerabzug aus dem Bezug der für die Reparatur benötigten Teile ist möglich. Wird die Reparatur durch eine Fremdwerkstatt durchgeführt, liegt für diese ein umsatzsteuerpflichtiger Umsatz vor.
3. Eine wesentliche Neuerung ist nun vor kurzem für den Fall der reinen entgeltlichen Eigengarantie, bei welcher sich der Händler zur (anteiligen) Kostenerstattung im Schadensfall verpflichtet, ergangen (BFH vom 14.11.2018 – XI R 16/17). Hier entschieden die Richter, dass es sich bei dem Garantieentgelt um einen umsatzsteuerfreien Erlös handelt. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs liegt in diesen Fällen ein umsatzsteuerfreier Versicherungsumsatz vor, da der Händler sich ausweislich der konkreten Garantiebedingungen lediglich verpflichtet, ein fremdes Zahlungsrisiko (Reparaturkosten bei Defekt) gegen die vorherige Zahlung einer Prämie zu übernehmen. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob der Händler sich rückversichert hat oder dies unterlässt. Ebenso wenig relevant ist, ob der Händler der Versicherungsaufsicht unterliegt oder nicht.
Offen war nach diesem Urteil zunächst nur, ob solch eine Leistung des Händlers tatsächlich der Versicherungssteuer unterliegt. Nach den Grundsätzen eines zwischenzeitlich ergangenen Urteil des Finanzgerichts Köln (Az. 2 K 362/16 vom 10.4.2019, rkr.) ist jedoch davon auszugehen, dass genau dies der Fall ist. In der Konsequenz heißt dies, dass der Händler in solchen Fällen 19% Versicherungssteuer in Rechnung stellen und an den Fiskus abführen muss.
Unsicherheit besteht jedoch weiterhin hinsichtlich des Falls der reinen Eigengarantie, bei welcher sich der Händler ausweislich der konkreten Garantiebedingungen lediglich zur Reparatur im Schadensfall verpflichtet. Dieser ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Auf Grund eines Urteils vom Finanzgericht Münster vom 5.6.2009 – 5 K 3002/05 U ist hier denkbar, dass die Händlergarantie als Verlängerung der ursprünglichen Werksgarantie lediglich eine unselbständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung ist. Insofern wäre entscheidend, wie die Fahrzeuglieferung umsatzsteuerlich zu beurteilen ist. Nach den Entscheidungsgrundsätzen der BFH-Urteile vom 10.2.2010 – XI R 49/07 sowie vom 14.11.2018 – XI R 16/17 ist jedoch auch hier nicht auszuschließen, dass bei solch einer entgeltlichen Garantieeinräumung von einem steuerbaren Umsatz auszugehen ist. Endgültige Rechtssicherheit kann hier wohl lediglich ein neues Urteil des Bundesfinanzhofs geben.
Stan Guthmann
Steuerberater
Kommentar:
Die aktuelle Finanzrechtsprechung sollte für jeden Händler ein guter Anlass sein, die von ihm verkauften Gebrauchtwagen-Garantien noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Neben der bilanziellen und somit ertragsteuerlichen Behandlung sollte hier insbesondere die richtige umsatzsteuerliche Behandlung im Vordergrund stehen. Denn noch nicht alle Garantieabwickler haben die neue Rechtsprechung zur entgeltlichen Eigengarantie, bei welcher der Händler dem Kunden im Schadensfall lediglich einen Reparaturkostenanspruch einräumt, verinnerlicht – wobei das wirtschaftliche Risiko aus einer falschen steuerlichen Behandlung beim Händler und nicht beim Garantieabwickler liegt.
Wird beispielsweise im Fall der entgeltlichen Eigengarantie, bei welcher der Händler dem Kunden im Schadensfall lediglich einen Reparaturkostenanspruch einräumt, entgegen der neuen Rechtsprechung Umsatzsteuer statt Versicherungssteuer in Rechnung gestellt, dann wird diese Umsatzsteuer bis zu einer etwaigen Rechnungsberichtigung vom Händler noch zusätzlich zur Versicherungssteuer geschuldet. Hinzu kommen gegebenenfalls Zinsen.
Zusätzlich ist zu beachten, dass umsatzsteuerfreie Versicherungsumsätze den Vorsteuerabzug aus den damit in Zusammenhang stehenden Eingangsleistungen komplett sowie aus den Gemeinkosten zumindest anteilig ausschließen.
Andreas Drost
Wirtschaftsprüfer | Steuerberater